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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ob man sie wohl aufgrund ihrer besonderen Erfahrung mit dornigem Territorium eingeladen hatte, verkniff es mir jedoch, die Frage laut zu stellen. Jamie, der wie üblich die Eigenschaften eines Schwammes an den Tag legte, schnappte Cherokeevokabeln auf wie Kopfläuse, aber ich wollte seine Fähigkeiten doch noch nicht mit der Übersetzung von Wortspielen auf die Probe stellen.
    Jemmy, der das Sprachtalent seines Großvaters geerbt zu haben schien, hatte in der Woche seit unserer Ankunft sein Vokabular gut verdoppelt. Sein Wortschatz bestand jetzt zur Hälfte aus englischen, zur anderen aus Cherokeewörtern, was zur Folge hatte, dass ihn außer seiner Mutter niemand verstand. Mein Vokabular hatte sich um die Begriffe für »Wasser«, »Feuer«, »Essen« und »Hilfe« erweitert - ansonsten war ich auf die Gnade jener Cherokee angewiesen, die des Englischen mächtig waren.
    Nach den angemessenen Zeremonien und einem großen Willkommensfest - bei dem es geräucherte Taubenleber mit Bratäpfeln gab -, brachen die Jäger in großer Zahl in der Morgendämmerung auf. Zusätzlich zu ihren Bogen, Musketen und Gewehren nahmen sie Kiefernfackeln und Tongefäße mit Feuer mit. Nachdem wir sie mit einem zünftigen Frühstück verabschiedet hatten - Maismehlbrei mit Taubenleber und frischen Äpfeln -, zogen wir anderen uns in die Häuser zurück, um uns die Zeit mit Korbflechten, Nähen und Reden zu vertreiben.
    Der Tag war heiß, schwül und windstill. Kein Lüftchen regte sich in den
Feldern, wo die abgeernteten Mais- und Sonnenblumenstängel wie Cocktailpicker verstreut lagen. Kein Lufthauch bewegte den Staub auf der Dorfstraße. Wenn man etwas in Brand setzen wollte, so dachte ich, war es ein guter Tag dazu. Ich dagegen gab mich gern damit zufrieden, mich in das kühle, schattige Innere von Sungis Hütte zurückzuziehen.
    Im Verlauf der Gespräche kam mir der Gedanke, mich nach den Bestandteilen des Amuletts zu erkundigen, das Nayawenne für mich gemacht hatte. Zwar war sie eine Tuscaroramedizinfrau gewesen, daher war der zugrunde liegende Glaube möglicherweise nicht derselbe - aber ich war neugierig, was es mit der Fledermaus auf sich hatte.
    »Es gibt eine Geschichte über Fledermäuse«, begann Sungi, und ich lächelte insgeheim. Die Cherokee waren den Highlandschotten wirklich sehr ähnlich, besonders, was ihre Vorliebe für Geschichten anging. In den wenigen Tagen unseres Aufenthalts im Dorf hatte ich schon eine ganze Reihe davon gehört.
    »Die Tiere und die Vögel beschlossen, Ball zu spielen«, sagte Anna, die Sungis Worte nahtlos übersetzte. »Damals gingen die Fledermäuse noch auf vier Beinen, genau wie die anderen Tiere. Doch als sie bei dem Ballspiel mitspielen wollten, sagten die anderen Tiere, nein, das ginge nicht; sie seien zu klein und würden doch nur zerquetscht. Das hörten die Fledermäuse gar nicht gern.« Sungi runzelte die Stirn und zog eine Grimasse, die eine aufgebrachte Fledermaus darstellte.
    »Also gingen die Fledermäuse zu den Vögeln und boten ihnen an, stattdessen auf ihrer Seite mitzuspielen. Die Vögel nahmen das Angebot an und bauten den Fledermäusen Flügel aus Blättern und Stöckchen. Die Vögel gewannen das Spiel, und den Fledermäusen gefielen ihre Flügel so gut, dass sie -«
    Sungi verstummte abrupt. Sie hob den Kopf und schnupperte. Ringsum stellten die Frauen ihre Gespräche ein. Sungi erhob sich rasch und ging zur Tür. Sie stützte sich mit der Hand auf den Türrahmen und blickte hinaus.
    Ich konnte Rauch riechen - ich roch ihn schon seit einer Stunde, weil der Wind in unsere Richtung wehte -, doch ich begriff, dass der Brandgeruch viel stärker geworden war. Sungi trat ins Freie; ich stand auf und folgte ihr gemeinsam mit den anderen Frauen. In meinen Kniekehlen begann es unangenehm zu kribbeln.
    Regenwolken begannen, den Himmel zu verdunkeln, doch die Rauchwolke war noch dunkler, ein brodelnder, schwarzer Fleck, der sich in der Ferne über den Bäumen erhob. Es war Wind aufgekommen, der dem herannahenden Sturm vorauseilte, und trockenes Laub wirbelte mit einem Geräusch an uns vorbei, das wie winzige, trippelnde Füße klang.
    In den meisten Sprachen gibt es ein paar einsilbige Wörter für Situationen plötzlicher Bestürzung, und Cherokee bildet da keine Ausnahme. Sungi sagte etwas, das ich nicht verstand, dessen Bedeutung jedoch klar war. Eine der jüngeren Frauen leckte sich den Finger und hielt ihn in die Luft, doch die
Geste war überflüssig - ich konnte den Wind in

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