Das Flammende Kreuz
wunderhübsches Tier. Es hatte ein zartes, rauchblaues Köpfchen, braune Brustfedern, und seine Flügel zeigten einen weichen Rostton. Sein Köpfchen hing schlaff herunter, die Augen von dünnen, faltigen, graublauen Lidern bedeckt.
»Ist das etwa...?«, fragte sie leise.
»Ich glaube schon«, antwortete ich genauso leise. Vorsichtig streckte ich einen Finger aus und berührte das weiche Federkleid. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, ob dies ein gutes Vorzeichen war oder nicht. Ich hatte noch nie zuvor ein solches Tier gesehen, denn in der Zeit, aus der ich kam, waren sie längst ausgestorben, doch ich war mir ziemlich sicher, dass der Vogel, den ich in der Hand hielt, eine Wandertaube war.
Die Jäger brachen am nächsten Morgen vor Anbruch der Dämmerung auf. Brianna trennte sich nur widerstrebend von Jemmy, schwang sich jedoch mit
einer Leichtigkeit in den Sattel, die nicht den Eindruck erweckte, dass sie sich auf der Jagd vor Gram nach ihm verzehren würde. Und was Jemmy anging, so war er viel zu sehr damit beschäftigt, die Körbe unter der Bettplattform zu plündern, als dass er großartig Notiz vom Aufbruch seiner Mutter genommen hätte.
Die Frauen verbrachten den Tag damit, die Tauben zu rupfen, zu braten, zu räuchern oder mit Holzasche zu pökeln; überall wirbelten Daunenfedern herum, und ein kräftiger Geruch nach gegrillter Taubenleber hing in der Luft, da sich das ganze Dorf an dieser Delikatesse labte. Auch ich half beim Verarbeiten der Tauben und unterhielt mich zwischendurch freundschaftlich mit den Frauen oder führte profitable Tauschgeschäfte durch. Dann und wann hielt ich inne, um einen Blick auf den Berg zu werfen, auf dem die Jäger verschwunden waren, und um stumm für ihr Wohlergehen zu beten - und für Rogers.
Ich hatte fünfundzwanzig Gallonen Honig mitgebracht, dazu einige importierte Kräuter aus Europa und Saatgut aus Wilmington. Mein Geschäft florierte, und bis zum Abend hatte ich meine Vorräte gegen wilden Ginseng, Frauenwurz und - eine echte Seltenheit - einen Chagapilz eingetauscht. Dieses Gewächs, ein großer, warziger Pilz, der an sehr alten Birken wächst, stand in dem Ruf-so sagte man mir-, Krebs, Tuberkulose und Geschwüre zu heilen. Sehr nützlich für einen Arzt, dachte ich.
Was den Honig anging, so hatte ich ihn eins zu eins gegen fünfundzwanzig Gallonen Sonnenblumenöl eingetauscht. Dies wurde mir in zum Bersten gefüllten Lederbeuteln zur Verfügung gestellt, die sich wie ein kleiner Stapel Kanonenkugeln unter dem Dachsims des Hauses türmten, in dem wir übernachteten. Jedes Mal, wenn ich ins Freie trat, blieb ich stehen, um einen zufriedenen Blick darauf zu werfen und mir die zarte, duftende Seife vorzustellen, die ich daraus machen würde - nie wieder Schweinefettgestank an den Händen! Und mit etwas Glück konnte ich den Großteil davon so lukrativ verkaufen, dass es für Laoghaires nächste, verflixte Blutgeldzahlung reichte.
Den nächsten Tag verbrachte ich mit meiner Gastgeberin, einer weiteren Schwester Tsatsa’wis mit Namen Sungi, in den Obstgärten. Sie war eine hoch gewachsene Frau mit einem lieblichen Gesicht, etwa dreißig, und sie sprach ein paar Worte Englisch, doch einige ihrer Freundinnen konnten noch etwas mehr - zum Glück, denn meine eigenen Cherokeekenntnisse beschränkten sich auf »hallo«, »gut« und »mehr«.
Trotz der Sprachkenntnisse der Indianerinnen hatte ich Schwierigkeiten herauszubekommen, was genau »Sungi« bedeutete - je nachdem, mit wem ich mich unterhielt, schien es entweder »Zwiebel«, »Minze« oder »Nerz« zu bedeuten. Nach einigem Hin und Her konnte ich jedoch ermitteln, dass das Wort sich auf keinen dieser Begriffe konkret zu beziehen schien, sondern stattdessen auf einen kräftigen Duft.
Die Apfelbäume im Obstgarten waren noch jung und schlank, doch sie trugen anständig und lieferten eine kleine, gelb-grüne Frucht, die schön knackig war und säuerlich schmeckte - ein exzellenter Kontrast zum fettigen Geschmack der Taubenleber. Es war ein trockenes Jahr, sagte Sungi mit einem kritischen Stirnrunzeln in Richtung der Bäume, und der Mais stand auch nicht besonders gut.
Sungi gab Jemmy in die Obhut ihrer beiden kleinen Töchter und mahnte sie offensichtlich zur Aufmerksamkeit, wobei sie mehrfach auf den Wald deutete.
»Gut, dass Bärentöter da«, sagte sie, wieder an mich gewandt, und stemmte den Apfelkorb auf ihre Hüfte. »Dieser Bär kein Bär, uns nicht spricht.«
»Oh, ah«, sagte ich und nickte
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