Das Flammende Kreuz
in die Arme. Der kleine Junge quiekte vor Überraschung leise auf, entspannte sich jedoch, als sich Jamies Arme instinktiv um ihn schlossen. Seine runde Hand hing lose herab und suchte nach einem Anker, dann fand sie ihn.
»Heiß«, murmelte er und lächelte selig. Er krallte seine Faust in Jamies rotes Haar, seufzte tief und schlief auf der fieberwarmen Brust seines Großvaters fest ein.
Jamie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, als ich nach der Zange griff. Dann zuckte er mit den Achseln, legte seine stoppelhaarige Wange sanft an Jemmys seidenhelles Haar und schloss ebenfalls die Augen, auch wenn die Anspannung in seinen Gesichtszügen einen deutlichen Kontrast zu dem Frieden in Jemmys rundem Gesicht bildete.
Es hätte nicht einfacher sein können; ich hob einfach den frischen Zwiebelwickel an und steckte die Maden einzeln in die entzündeten Wunden an Jamies Unterschenkel. Roger stellte sich hinter mich, um mir zuzusehen.
»Das sieht ja fast wieder wie ein Bein aus«, sagte er und klang überrascht. »Das hätte ich nie gedacht.«
Ich lächelte, sah mich aber nicht zu ihm um, weil ich mich auf meine Arbeit konzentrierte. »Blutegel sind sehr wirksam«, sagte ich. »Obwohl deine groben Messerschnitte wahrscheinlich auch geholfen haben - die Löcher, die du gemacht hast, waren so groß, dass der Eiter und die Flüssigkeit ablaufen konnten; das hat geholfen.«
Er hatte Recht; das Bein war zwar immer noch heiß und scheußlich verfärbt, doch die Schwellung war merklich zurückgegangen. Man konnte Jamies langes Schienbein und den zierlichen Bogen von Fuß und Knöchel wieder sehen. Ich machte mir zwar keine Illusionen, was die verbleibenden Gefahren anging - Entzündung, Wundbrand, Ablösung -, doch mir wurde trotzdem leichter ums Herz. Es war erkennbar Jamies Bein.
Ich packte eine weitere Made mit der Zange knapp hinter dem Kopf, vorsichtig, um sie nicht zu zerdrücken. Mit der schmalen Sonde, die ich in der anderen Hand hielt, hob ich den Wundrand an und schob das winzige sich windende Tier zielsicher in die kleine Tasche, die so entstand. Dabei versuchte ich zu ignorieren, wie unangenehm schwammig sich das Gewebe unter meinen Fingern anfühlte, und ich verdrängte die Erinnerung an Aaron Beardsleys Fuß.
»Fertig«, sagte ich kurz darauf und legte den Wickel vorsichtig wieder auf. Gekochte Zwiebeln und Knoblauch in Penizillin getränktem Musselin würden die Wunden feucht halten und sie drainieren. Wenn ich den Umschlag ungefähr stündlich erneuerte, so hoffte ich, würde die Wärme der Wickel auch die Durchblutung des Beins anregen. Und dann noch ein Honigverband, um das Eindringen weiterer Bakterien zu verhindern.
Die Konzentration allein hatte meine Hände ruhig gehalten. Jetzt war ich fertig, und mir blieb nichts mehr zu tun als zu warten. Die Untertasse mit den feuchten Blättern klapperte auf der Arbeitsfläche, als ich sie abstellte.
Ich konnte mich nicht erinnern, je im Leben so müde gewesen zu sein.
93
Entscheidungen
Roger und Mr. Bug schafften Jamie in unser Schlafzimmer hinauf. Es wäre mir lieber gewesen, sein Bein nicht durch den Umzug aus dem Sprechzimmer durchzurütteln, doch er bestand darauf.
»Ich will nicht, dass du hier unten auf dem Boden schläfst, Sassenach«, sagte er, als ich protestierte. Er lächelte mich an. »Du solltest in deinem Bett schlafen - aber ich weiß, dass du mich nicht allein lassen wirst. Das heißt also, dass ich mit nach oben kommen muss, aye?«
Ich hätte ihm gern noch weiter widersprochen, doch ehrlich gesagt war ich so müde, dass ich mich auch nicht beschwert hätte, wenn er darauf bestanden hätte, dass wir beide in der Scheune schliefen.
Doch als er im Bett lag, kehrten meine Zweifel zurück.
»Ich stoße bestimmt an dein Bein«, sagte ich, während ich mein Kleid an
einen der Kleiderhaken hängte. »Ich mache mir einfach ein Notlager hier am Feuer und -«
»Das wirst du nicht tun«, sagte er entschieden. »Du schläfst bei mir.« Er ließ sich mit geschlossenen Augen in die Kissen sinken, sein Haar ein weinrotes Gewirr auf dem weißen Leinen. Seine Haut wurde allmählich blasser; sie war nicht mehr ganz so rot. Andererseits war sie dort, wo sie nicht mehr durch die kleinen Blutergüsse verfärbt war, alarmierend fahl.
»Du würdest dich noch auf dem Totenbett mit mir streiten«, sagte ich schroff. »Du musst doch nicht immer alles unter Kontrolle haben. Du könn test einfach einmal still liegen und die anderen machen lassen. Was glaubst
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