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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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einsetzenden Blindheit. Es wurde dadurch verursacht, dass die Flüssigkeit im Inneren des Augapfels nicht richtig ablaufen konnte und sich dadurch der Augeninnendruck so weit erhöhte, dass es zu Beschädigungen kam, ohne das geringste Warnsignal für die Patientin oder ihren Arzt. Doch es gab auch noch andere Arten von Erblindung, die ebenfalls weitgehend ohne Symptome verliefen...

    Ich war noch tief in meine Spekulationen versunken, als mir bewusst wurde, dass Rawlings seine Notizen auf der Rückseite weitergeführt hatte - auf Lateinisch.
    Ich kniff die Augen zu, denn das überraschte mich ein wenig. Ich konnte sehen, dass er die Worte als Fortsetzung der vorhergehenden Passage geschrieben hatte; wenn man mit dem Federkiel schreibt, weisen die Worte einen charakteristischen Wechsel von dunklen und bleicheren Stellen auf, weil die Tinte mit jedem Eintauchen der Feder aufgefrischt wird, und wenn man verschiedene Tintensorten benutzte, hatte jede Passage einen anderen Farbton. Nein, dies war zur selben Zeit geschrieben worden wie der Absatz auf der vorherigen Seite.
    Doch warum der plötzliche Wechsel zum Lateinischen? Rawlings verfügte zweifellos über einige Lateinkenntnisse - was dafür sprach, dass er ein gewisses Maß an formeller Bildung genossen hatte, selbst wenn es keine offizielle, medizinische Ausbildung gewesen war -, doch normalerweise machte er in seinen klinischen Notizen keinen Gebrauch davon, abgesehen von gelegentlichen Wörtern oder Phrasen, die zur formellen Beschreibung eines Krankheitsbildes notwendig waren. Doch hier standen anderthalb Seiten auf Latein, in gewissenhaften Buchstaben verfasst, die kleiner waren als seine übliche Handschrift, so als hätte er sich den Inhalt dieser Textpassage sorgfältig zurechtgelegt - oder vielleicht, als hätte er sie geheim halten wollen, wofür schon der bloße Gebrauch des Lateinischen zu sprechen schien.
    Ich blätterte die Seiten des Notizbuches zurück, um zu überprüfen, ob ich mit meinem Eindruck Recht hatte. Nein, er hatte zwar hier und dort lateinisch geschrieben - jedoch nicht oft, und immer so wie hier, als Fortsetzung einer auf Englisch begonnenen Passage. Wie merkwürdig. Ich schlug die Seite, die River Run betraf, wieder auf und begann sie auszuknobeln.
    Nach ein oder zwei Sätzen gab ich es auf und machte mich auf die Suche nach Jamie. Er war in seinem Studierzimmer auf der anderen Flurseite und schrieb Briefe. Oder auch nicht.
    Das Tintenfass - das aus einem kleinen Kürbis bestand, der verkorkt werden konnte, um ein Austrocknen der Tinte zu verhindern - stand frisch gefüllt vor ihm; ich konnte den holzigen Geruch des Gebräus aus Eichengallen und Eisenspänen riechen. Eine frische Truthahnfeder lag auf dem Schreibtisch, so spitz zurechtgestutzt, dass sie sich eher als Stichwaffe denn als Schreibwerkzeug zu eignen schien, und auf dem Tintenlöscher lag ein frisches Blatt Papier. Drei Worte standen schwarz und einsam ganz oben auf der Seite. Es bedurfte nur eines Blickes in sein Gesicht, um zu wissen, wie sie lauteten.
    Meine liehe Schwester.
    Er sah zu mir auf, lächelte voll Ironie und zuckte mit den Achseln.
    »Was soll ich sagen?«
    »Ich weiß es nicht.« Ich hatte das Notizbuch geschlossen und es mir unter
den Arm geklemmt. Ich trat ein, stellte mich hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Ich drückte sacht zu, und er legte seinerseits die Hand kurz auf die meine, bevor er sie ausstreckte, um nach dem Federkiel zu greifen.
    »Ich kann mich doch nicht pausenlos weiter entschuldigen.« Er drehte den Federkiel langsam zwischen Daumen und Mittelfinger hin und her. »Das habe ich jetzt in jedem Brief getan. Wenn sie gewillt wäre, mir zu vergeben...«
    Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte Jenny inzwischen wenigstens auf einen der Briefe geantwortet, die er gewissenhaft jeden Monat nach Lallybroch schickte.
    »Ian hat dir vergeben. Die Kinder auch.« Sporadisch trafen Briefe von Jamies Schwager ein - doch sie trafen immerhin ein, begleitet von gelegentlichen, kurzen Notizen von seinem Namensvetter, dem Kleinen Jamie, und dann und wann einer Zeile von Maggie, Kitty, Michael oder Janet. Doch Jennys Schweigen war so ohrenbetäubend, dass es jegliche andere Korrespondenz übertönte.
    »Aye, es wäre noch schlimmer, wenn...« Er verstummte und starrte das leere Blatt an. Jenny war ihm näher und wichtiger als jeder andere Mensch auf der Welt - ausgenommen einzig und auch nur möglicherweise ich selbst.
    Ich teilte sein Bett,

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