Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fliederbett

Das Fliederbett

Titel: Das Fliederbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
Etwas war falsch, unglaublich falsch.
    »Wir fahren heim«, sagte er bestimmt.
    Sie senkte die feuchten Wimpern.
    »Nein«, sagte sie. »Ich will hier sitzen... und reden.«
    »Es gibt nichts, worüber wir reden könnten«, sagte er steif.
    Sie biß sich in die Unterlippe, das Gesicht war wieder traurig, und die Stupsnase erschien ihm unglaublich niedlich. Er sah zur Seite.
    »Wir können doch über mich reden«, sagte sie. »Denn ich mag Sie auch.«
    Gequält sah er auf die Hände in seinem Schoß.
    »Dann tu’s«, sagte er schließlich.
    Alles wurde mit einem Mal so beschwerlich. Sie lehnte die Stirn gegen die hochgezogenen Knie. Das Herz klopfte. Es war so schön gewesen, als er sie eben getröstet hatte. Warum war es jetzt nicht schön?
    »Wir fahren heim«, sagte er wieder und legte die Hand auf ihre Schulter.
    »Marianne«, bat er.
    Sie sah ihn an.
    »Ich höre die ganze Zeit zu«, sagte sie.
    Er merkte, daß er ihre Schulter drückte.
    »Na dann«, sagte er. »Was hältst du von dem Vorschlag?«
    Sie sah aus, als hätte sie nicht begriffen.
    »Von welchem Vorschlag?«
    Es war wie in einem Albtraum: man lief und lief, aber man kam nicht vom Fleck. Sogar die Hand auf ihrer Schulter lag noch da. Und als er beschloß, sie wegzunehmen, fand er, daß er sie zwar ein paar Zentimeter weggerückt hatte, daß sie aber im großen ganzen eigentlich immer noch dalag.
    »Findest du nicht selbst, daß es am besten ist, wenn wir nach Hause rudern?« sagte er, seinen Vorschlag mit einer Hartnäckigkeit wiederholend, die, wie er meinte, an Idiotie grenzte.
    Sie nickte.
    »Es ist wohl das beste«, sagte sie schließlich leise.
    »Die Sonne geht bald unter«, sagte er.
    Sie nickte wieder.
    »Das wird wohl«, murmelte sie.
    Er starrte ihren Bademantel an.
    »Warum gehst du dann nicht und ziehst dich an«, sagte er und hörte selbst, wie aggressiv seine Stimme klang.
    Sie senkte den Kopf.
    »Ich will nicht«, sagte sie, und die Stimme zitterte.
    »Ich will nicht«, wiederholte er in einem Ausbruch von Zorn. »Ich denn? Was glaubst du, was ich will? Aber das interessiert dich wohl nicht.«
    Sie antwortete nicht, und sein Zorn verrauchte.
    »Marianne«, bat er begütigend. »Sei jedenfalls vernünftig.«
    Sie sah erstaunt hoch, und er erinnerte sich an Adams Antwort an den Herrn nach dem Sündenfall: Die Frau, die du mir geschenkt hast, damit sie um mich sei, hat mir vom Baum gegeben, auf daß ich esse.
    Verzweifelt fuhr er mit den Händen durchs Haar.
    »Marianne«, sagte er und merkte, daß er flüsterte. »Marianne.« Dürstend streckte sie ihre Hand aus, und er nahm sie.
    »Seien Sie nicht traurig«, sagte sie. »Bitte, Herr Pastor, seien Sie nicht traurig.«
    Er nahm sie in den Arm, und ihre Augen sahen unverwandt in seine.
    »Ich will dich nur küssen«, sagte er hastig. Und er beugte sich hinunter und berührte ganz leicht ihren halbgeöffneten Mund.
    Es war schwerer aufzuhören, als er geglaubt hatte. Er machte einen Versuch. Da legte sie ihre stämmige kleine Hand auf seine Brust, zwischen die beiden Zipfel seines Bademantels. Die Hand wirkte braun gegen seine weiße Haut.
    »Marianne«, sagte er. »Geh. Noch ist es nicht zu spät. Aber wenn du bleibst...« Er machte eine Grimasse, voller Schmerz.
    Mitleidig betrachtete sie ihn.
    »Ich bleibe«, sagte sie.
    Er wurde von einem Taumel ergriffen. Wer war er denn, daß er in Ewigkeit nein sagen könnte?
    Der Hals roch nach Wind und Salzwasser. Er küßte und roch immer abwechselnd. Es war, als fiele er... Er wußte nicht, was er tat. Das Haar hatte einen herben Geruch, es verfing sich zwischen seinen Lippen. Das Ohr war wie ein Blatt, ein Rosenblatt. Er biß und biß in das zarte Ohrläppchen.
    »Du tust mir weh«, flüsterte sie, und er nahm sich zusammen, hob sein Gesicht und sah sie an. Sie spitzte den Mund ein wenig. Sofort mußte er ihn schmecken, die süßen Mädchenlippen küssen. Er fühlte ihre Zähne und begriff, daß sie ihren Mund geöffnet hatte, der Atem war wie Süßmilch und etwas mehr, Mädchengeruch. Ich werde sie noch aufessen, dachte er, das hat sie davon, daß sie so süß ist und so gut riecht. Dann packte ihn wieder die Lust, sie nur anzusehen, er trauerte nur darüber, daß er nicht alles auf einmal konnte, sehen, riechen, küssen.
    Das Haar war zerzaust, das Gesicht glühte. Sie sah verwirrt aus.
    »Warum hörst du auf?« fragte sie, aber er konnte nicht antworten, vermochte nur mit den Augen das liebliche Mädchengesicht einzusaugen. Sie hob die

Weitere Kostenlose Bücher