Das Fliederbett
schwerer sein würde, jetzt, da sie wußte, worin die Versuchung bestand.
Auf dem schmalen Waldpfad wurde sie von einer Wolke von Mücken überfallen. Sie setzte sich blitzschnell aufs Fahrrad. Es war schön, wieder auf die Sandstraße zu kommen. Die Heureiter badeten in der Abendsonne, in einem Baumwipfel begannen Drosseln zu singen. Plötzlich fiel ihr die Liste im Fahrradkorb ein.
> Du liebe Zeit, die Lose <, dachte sie schuldbewußt, als sei die Tatsache, daß sie keine Lose verkauft hatte, das Schlimmste des heutigen Tages.
Der Pastor war mit der Grundleine fertig. Er saß achtern und genoß den Wind, der seinen Kopf fächelte. Marianne ruderte gut. Es gluckste am Bug, ein Geräusch, das er seit seiner Kindheit geliebt hatte. Langsam verbreitete sich eine himmlische Ruhe bis in seine ganze Seele; es war ja auch ein Feiertagabend.
Sie ruderten an der Südseite von Lillskär entlang. Das Wasser glitzerte in der Nachmittagssonne. Die Erlen am Strand waren dunkelgrün, das Schilf wuchs beinahe in den Himmel. Der Pastor hielt Ausschau: würde nicht bald der Strand kommen? Doch, da lichteten sich plötzlich die Schilfmassen, und ein kleiner Sandstrand kam zum Vorschein, glatt und gelb zwischen zwei hohen Felswänden.
Sie zogen sich aus, jeder auf einer anderen Seite des Erlen-gebüschs. Der Pastor ließ Marianne viel Zeit. Er legte seine
Kleider säuberlich auf einem Stein zusammen. Dann zog er die schwarze Badehose an, die Gudrun ihm gekauft hatte, und ging an den Strand, vorsichtig zwischen Fliegenpilzen und Kuhfladen balancierend.
Er fühlte nach, ob die Pfeife in der Bademanteltasche war, als Marianne aus dem Erlengebüsch hervorkam. Zuerst erkannte er sie nicht wieder. Aber dann hörte er ihre Stimme.
»Ich bin mitten in einen Ameisenhaufen geraten«, sagte sie. »Gucken Sie mal, wie ich aussehe.«
Automatisch blickte er auf ihre Beine. Ja, sie war rot. Ordentlich rot. Dann hob er wieder den Blick, so schnell, als hätte er sich verbrannt.
»Herr Pastor, Sie mögen es vielleicht nicht, daß ich einen Bikini trage?« fragte sie.
Er wandte den Blick zu einem hohen Wacholderbusch, um den sich blühende Hagebutten rankten.
»Du kannst doch anziehen, was du willst«, sagte er und dachte plötzlich an Gudruns blauen Wollbadeanzug. Der war jedenfalls anständig.
Marianne schaute zum Berg hoch.
»Ich will hochklettern und mir die Aussicht ansehen«, sagte sie. »Kommen Sie mit?«
Er schüttelte den Kopf.
»Klettere du nur«, sagte er. »Ich schwimme solange raus.« Aber er blieb stehen und folgte ihr mit dem Blick, als sie geschmeidig an der grauen Bergwand emporkletterte. Mit den Zehen suchte sie in einer Spalte nach Halt. Das eine Bein war erhoben, der Gummizug schloß sich um einen kräftigen Schenkel.
Sie drehte sich um.
»Ich komme nicht hoch«, sagte sie.
Er bekam die Innenseite eines Schenkels zu sehen, uneben und goldbraun in der Nachmittagssonne.
»Quatsch«, sagte er abrupt. »Diesen Berg schafft jedes Kind.«
Verärgert warf er den Bademantel neben den Wacholderbusch und nahm seine Armbanduhr ab. Bikini! War das ein Kleidungsstück für Siebzehnjährige? Er entdeckte einen Pilz und beförderte ihn mit einem Tritt zum Wald hin. Das hatte er verdient. Mordlüstern sah er sich nach weiteren Pilzen um.
»Herr Pastor«, rief Marianne.
Sie winkte dort oben von der Spitze des Felsens.
»Hier ist es so schön«, rief sie. »Man kann weit sehen... Ja, nicht so weit«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Aber weiter...«
Er mußte lachen, und jetzt merkte er plötzlich, welch ein liebenswertes Bild sie abgab, mit zum Gruß erhobenen Armen und lang wehenden Haaren im Gesicht dastehend. Der Ärger war mit einem Mal verschwunden.
»Jetzt baden wir«, rief er fröhlich.
Lächelnd schaute er zu, wie sie herunterkletterte. Sie war so jung, so schön. Der BH schnitt in den Rücken ein, der oberhalb fest und braun hervortrat. Der Pastor seufzte. Es war nicht recht... ganz einfach nicht recht... daß alles an einem Mädchen so süß sein sollte. Das war... ungehörig.
Er wurde wütend auf sich selbst.
»Der Letzte ist wasserscheu!« schrie er und sprang in das glitzernde Wasser hinaus.
Nach dem Baden war alles besser. Der Pastor holte die Pfeife hervor. Jetzt würde das Rauchen schmecken, nie schmeckte es so gut wie nach einem Bad. Zerstreut folgte er dem Flug einer Libelle. Dann zündete er die Pfeife an und zog den Rauch tief in die Lungen.
Marianne kam aus dem Erlengestrüpp in einem weißen,
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