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Das Fliederbett

Das Fliederbett

Titel: Das Fliederbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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und sie begriff, daß sie in jedem Fall hinsehen mußte. Mit geschlossenen Augen dazustehen, mußte ja stockdumm wirken. »Ich habe etwas ins Auge bekommen«, sagte sie, »ein Sandkorn oder so etwas.«
    »Hilf ihr, es herauszumachen«, sagte Rakel. Sie nahm Mette im Vorbeigehen auf der Treppe die schreiende Lotta ab und ging hinauf in das Schlafzimmer. So würdig sie konnte, schritt Mette in die Küche, ohne Åke eines Blickes zu würdigen. Aber er kam nach. Sie setzte den Kartoffeltopf auf den Herd. Åke nahm sein Taschentuch.
    »Darf ich sehen?« sagte er. »Komm her zum Fenster.«
    Sie verwünschte ihre Lüge. Stumm stand sie vor ihm und ließ ihn nach einem Korn suchen, das es nicht gab und nie gegeben hatte. Sie fühlte seinen Atem. Er roch nicht unangenehm, aber fremd. Sein Mund war auch fremd. Er schüttelte den Kopf.
    »Ich kann nichts finden«, sagte er, »ist’s besser?«
    Sie sah flüchtig seine intensiv blauen Augen und senkte den Blick. »Ich glaube«, murmelte sie. Sie fand die Szene am Fenster so unwürdig und demütigend, daß sie hätte weinen können. Heftig wandte sie sich von ihm ab. Ihr Blick fiel auf den Meerrettich, der gerieben werden mußte. Sie machte sich sogleich darüber her. Åke betrachtete sie. Er hatte das Gefühl, daß dies Sandkorn eine Erfindung wäre, ließ sich aber nichts anmerken. Er fand sie überirdisch süß. Die Finger, die den Meerrettich hielten, zitterten, und sie sah hartnäckig auf ihre Arbeit. Es war nicht schwer zu bemerken, daß sie ihn fortwünschte.
    »Sei nicht ängstlich«, sagte er. »Ich will dich nicht aufessen.« In der nächsten Sekunde wünschte er, daß er sich lieber die Zunge abgebissen hätte. Das Mädchen drehte sich mit einer Verbitterung nach ihm um, die ihn begreifen ließ, wie sehr er sie verletzt hatte.
    »Ich bin kein Kindskopf«, sagte sie und sah ihm gerade ins Gesicht. »Glaube bloß nicht, daß ich ein Kindskopf bin.«
    Weder in seinem Blick noch in seinem Gesicht war die Spur eines Lächelns zu finden. Mette atmete auf. Gott sei Dank, er lachte nicht! »Ich bin siebzehn«, sagte sie in ruhigerem Ton. »Ich bin gar nicht so unschuldsvoll, wie ich aussehe. Ich bin erfahren... mehr jedenfalls, als Rakel erzählt hat.«
    Er nahm ein Radieschen, besah es einige Augenblicke, ehe er es in den Mund steckte.
    »Was Rakel sagt, nehme ich nicht so ernst«, sagte er. »Ich verlasse mich auf mein eigenes Urteil.«
    Sie spürte, wie sich ihr Herzklopfen etwas legte, und beugte sich wieder über den Meerrettich. Gott sei Dank, daß er sich nicht kümmerte, was Rakel sagte. Sie tat einen tiefen Atemzug. Blödsinnig war nur, daß Lotta schreien mußte. Nun hatte sie das Haar nicht noch einmal kämmen können. Vorsichtig wandte sie ihm das Profil zu, damit er ihre Nase sehen konnte.
    Beim Mittagessen stellte sie fest, daß sie trotz allem Hecht gut essen konnte. Åke saß in aufgekrempelten Hemdsärmeln da. Die sonnengebräunten, haarigen Arme bewegten sich elegant, wenn er den Fisch auseinandernahm. Unter dem Nylonhemd waren deutlich seine breiten, kräftigen Schultern zu sehen. Er langte nach der Schale mit zerlassener Butter. In der Bewegung lag etwas Energisches, das Mettes Herz klopfen ließ. Er fing ihren Blick auf.
    »Möchtest du haben?« fragte er und reichte ihr die Schale. Seine Finger streiften ihre. Mette sah schnell hin. Sie waren lang und geschmeidig. Sie würde es gern sehen, wenn er sie nochmals berührt hätte.
    »Draußen auf dem Boot war ein Herr, der einige Damen mit der Schwedischen Sünde unterhielt«, sagte Åke und nahm vom Meerrettich. »Es hörten nicht nur die Damen zu. Mehrere Passagiere senkten interessiert die Zeitung. >Wir sind verrufen in der ganzen Weite, sagte er und die Damen stimmten ihm zu. Hin und wieder vertiefte er sich ins Svenska Dagbladet, um Stärkung und Trost zu finden, nehme ich an. Bei Kappelskär trafen wir das Finnlandboot. Durch den Wellengang entfiel ihm plötzlich die Zeitung, und ratet, was herausfiel...«
    Rakel hob das Glas zum Wohle.
    »Liebe 1«, sagte sie lächelnd.
    Åke hob auch das Glas.
    »Du hast die Geschichte früher gehört«, sagte er.
    »Ja«, sagte Rakel, »aber das erstemal, als du sie erzähltest, fiel Liebe 2 heraus.«
    »Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen«, sagte Mette tiefsinnig auf Deutsch.
    »Und kann er das nicht, muß er etwas erfinden.« Rakel lachte: »Bravo, Mette, das hast du perfekt zitiert. Habe ich nicht eine tüchtige Schülerin, Åke?«
    Verliebt

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