Das Fliederbett
mich, wiederzukommen, und das werde ich sicher tun, aber zuerst muß ich diese Dreizehnjährige haben. Ich fühle keine Ruhe in meinem Körper, bevor ich nicht weiß, wie es ist, mit einer zu schlafen, die noch nicht ausgewachsen ist.«
Mette fühlte eine grenzenlose Verwirrung. Sie erinnerte sich plötzlich an ein Gänseessen vor mehreren Jahren. Ahnungslos hatte sie gesessen und von dem guten Fleisch gegessen, als Onkel Knut ein Wohl aussprach auf den armen Märten. Erst da war ihr klargeworden, daß das Fleisch, von dem sie alle aßen, ihr eigener Gänsefreund Märten war. Und es hatte nicht geholfen, daß sie sich hinterher erbrach. Davon wurde Märten nicht wieder lebendig. Etwas von der gleichen Verzweiflung spürte sie jetzt. Sie faltete die Hände, wie um ein Unglück abzuwehren.
»Oh, Rakel«, rief sie mit schmerzerfüllter Stimme, »werdet ihr euch scheiden lassen, du und Lars-Erik?«
»Gott bewahre uns.« Rakel zog Mettes Kopf herab auf ihre Knie und spielte zerstreut mit ihrem Haar: »Findest du, daß der Brief wie von einem Mann klang, der sich scheiden lassen will?« Sie strich Mette über die Lippen. »Findest du?«
Mette wußte nicht, was sie sagen sollte. Die Berührung mit Rakels Fingern verwirrte sie noch mehr. »Wirst du nicht eifersüchtig?« fragte sie. »Ich würde es tun. Ich würde völlig verrückt sein vor Eifersucht!«
Rakel lächelte, spielte mit Mettes Ohr, das zart wie ein Rosenblatt war.
»Verrückt werde ich vielleicht, aber nicht vor Eifersucht«, antwortete sie. »Gott, was habe ich früher von Bordellen fantasiert. Hast du das nie?«
Mette fiel ein alter Wunschtraum ein und sie errötete. »Doch«, murmelte sie.
Rakels Gesicht wurde verträumt:
»Welche möchtest du lieber sein? Fiorella oder die Dreizehnjährige?«
Mette fühlte eine steigende Erregung. Sie blickte auf Rakel, und alles, was sie sah, erschien ihr so schön, daß die Begierde in ihr brannte.
»Die Dreizehnjährige«, antwortete sie widerwillig. Ihre Erregung wuchs. Warum war kein Mann in ihr Leben gekommen, als sie dreizehn war?
Rakel zog sie zu sich hoch.
»Siehst du«, sagte sie, »und nun bist du siebzehn, aber deine Unschuld hast du immer noch. Ich glaube, Fiorella und die Dreizehnjährige würden lachen über dich, wenn sie wüßten, wie grün du bist.«
Mette errötete vor Entrüstung.
»Grün bin ich wohl nicht«, murmelte sie.
Rakel legte den Arm um sie und schüttelte ihr das Haar zurecht. »Doch, kleiner Grünschnabel«, sagte sie und rieb ihre Nase leicht an Mettes. »Aber das macht nichts«, tröstete sie. »Am Freitag setzen wir die Liebe auf den Stundenplan. Ich bin überzeugt, daß es dir leichterfallen wird als Deutsch und daß du viel bessere Zensuren bekommst.«
Mette bebte vor Unruhe.
»Ich kenne ja Åke gar nicht«, sagte sie. »Oh, Rakel, ich werde so schüchtern und dumm sein. Worüber soll ich mit ihm sprechen? Und wie macht man es? Liegt man bloß da wie ein Idiot und tut nichts? Er wird denken, daß ich kindisch bin, so kindisch, so kindisch.«
Rakel war ein paar Augenblicke still. Impulsiv zog sie das Mädchen an sich. »Es wird alles gutgehen«, sagte sie beruhigend, »verlaß dich auf mich.«
Aber Mette schüttelte den Kopf.
»Wenn du doch dabeisein könntest«, seufzte sie. »Können wir ihn nicht fragen, ob du das darfst?«
»Willst du es denn?« fragte Rakel.
Mette nickte
»Dann würde ich viel weniger ängstlich sein«, sagte sie.
Rakel erhob sich vom Bett.
»Da kannst du von jetzt an aufhören Angst zu haben«, sagte sie. Sie glättete ihr Kleid und sah auf die Armbanduhr. »Du liebe Zeit, wie spät es geworden ist«, rief sie aus. »Willst du nicht eine Tasse Schokolade für uns zurechtmachen, während ich Lottas Sachen wegräume?«
Am nächsten Tag war Rakel genau wie sonst. Deutsch schien wieder das Wichtigste der Welt zu sein. Die Lektionen nahmen kein Ende. Nach Präpositionen kam manchmal der Dativ, manchmal der Akkusativ, und intransitive Verben mußte man mit >sein< beugen. Sie saß im Schatten der Eiche bei den weißen Möbeln. Mette sah seufzend auf Rakels Brust. Würde sie jemals wieder Rakels Milch schmecken dürfen? Sie blickte auf das kohlschwarze Schamhaar und wurde von Schwindel ergriffen.
»Ja, es ist warm«, sagte Rakel, »aber versuch dich trotzdem zu konzentrieren. Die Lektion ist gleich zu Ende.«
Der Abend war nicht besser. Mettes Unruhe wuchs. Sie hatte gedacht, daß sie beide wie zwei Schwestern über den kommenden Freitagabend
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