Das fliegende Klassenzimmer.
verstehen.«
»Verlieren Sie nur nicht den Mut«, meinte Johnny. »Sie sind ja noch jung.«
Der schöne Theodor sah aus, als wolle er Feuer speien. »Na, da kommt mal mit, ihr Früchtchen! Der Herr Doktor Bökh erwartet euch schon sehnlichst.«
Sie stiegen die Wendeltreppe im Turmflügel hinauf. Der Primaner kletterte wie ein Polizist hinterher, als habe er Angst, sie könnten wieder auskneifen.
Eine Minute später standen sie allesamt im Arbeitszimmer vorm Justus. »Hier sind die Ausreißer, Herr Doktor«, sagte der schöne Theodor. Seine Stimme klang honigsüß.
Bökh saß am Schreibtisch und betrachtete die fünf Tertianer. Keine Miene verriet, was er dachte. Die fünf sahen geradezu gemeingefährlich aus. Matthias hatte ein geschwollenes Auge.
Sebastians Hose war überm Knie zerrissen. Ulis Gesicht und Hände sahen vom Frost blaurot aus. Martin hingen die Haare wirr ins Gesicht. Und Johnnys Oberlippe blutete. In einem der Schneebälle, die ihn getroffen hatten, war ein Stein gewesen.
Und der Doktor Bökh trat dicht vor die Angeklagten Schnee schmolz von den fünf Paar Stiefeln und bildete fünf kleine Pfützen.
Doktor Bökh erhob sich und trat dicht vor die Angeklagten.
»Wie heißt der einschlägige Artikel der Hausordnung, Uli?«
»Den Schülern des Internats ist es verboten, das Schulgebäude außer während der Ausgehzeiten zu verlassen«, antwortete der Kleine ängstlich.
»Gibt es irgendwelche Ausnahmefälle?«, fragte Bökh.
»Matthias!«
»Jawohl, Herr Doktor«, berichtete Matz. »Wenn ein Mitglied des Lehrkörpers das Verlassen der Schule anordnet oder gestattet.«
»Welcher der Herren hat euch in die Stadt beurlaubt?«, fragte der Hauslehrer.
»Keiner«, entgegnete Johnny.
»Auf wessen Erlaubnis hin seid ihr fortgegangen?«
»Wir sind ohne Erlaubnis abgehauen«, erklärte Matthias.
»So war es nicht«, sagte Martin. »Sondern ich habe den anderen befohlen, mir zu folgen. Ich allein bin dafür verantwortlich.«
»Deine Vorliebe, Verantwortung zu übernehmen, ist mir hinreichend bekannt, lieber Martin«, meinte Doktor Bökh streng. »Du solltest dieses Recht nicht missbrauchen!«
»Er hat es nicht missbraucht«, rief Sebastian. »Wir mussten in die Stadt. Es war außerordentlich dringend.«
»Warum habt ihr mich, die zuständige Instanz, nicht um Erlaubnis gefragt?«
»Sie hätten, der Hausordnung wegen, die Erlaubnis verweigert«, sagte Martin. »Und dann hätten wir trotzdem in die Stadt rennen müssen! Das wäre noch viel unangenehmer gewesen!«
»Wie? Ihr hättet meinem strikten Verbot zuwidergehandelt?«, fragte der Justus.
»Jawohl!«, antworteten alle fünf.
»Leider«, fügte Uli kleinlaut hinzu.
»Das ist ja einfach bodenlos, Herr Doktor!«, meinte der schöne Theodor und schüttelte das Haupt.
»Es ist mir nicht bewusst, dass ich Sie nach Ihrer originellen Ansicht gefragt hätte«, sagte Doktor Bökh. Und der schöne Theodor wurde puterrot. »Warum musstet ihr in die Stadt hinunter?«, fragte der Lehrer.
»Wieder einmal wegen der Realschüler«, berichtete Martin.
»Sie hatten einen unserer Externen überfallen. Dieser Externe und die Diktathefte, die Herrn Professor Kreuzkamm zur Korrektur gebracht werden sollten, waren verschwunden. Ein anderer Externer meldete uns das. Und da war es doch ganz klar, dass wir hinunter mussten, um den Gefangenen zu befreien.«
»Habt ihr ihn befreit?«, fragte der Lehrer.
»Jawohl«, riefen vier von ihnen. Uli schwieg. Er hielt sich für unwürdig, die Frage zu bejahen.
Doktor Bökh musterte Johnnys gespaltene Oberlippe und das verschwollene Auge von Matthias. »Wurde irgendwer verletzt?«, fragte er dann.
»Kein Gedanke«, sagte Matthias. »Niemand.«
»Nur die Diktathefte …«, meinte Sebastian.
Martin blickte ihn so wütend an, dass er abbrach.
»Was ist mit den Heften los?«, fragte der Justus.
»Sie wurden in einem Keller, vor den Augen des gefesselten Gefangenen, verbrannt«, sagte Martin. »Wir fanden nur noch die Asche vor.«
»Martin hat die Asche in seinem Taschentuch«, erklärte Matthias fröhlich. »Und ich werde die Urne dafür stiften.«
Doktor Bökh verzog unmerklich das Gesicht. Eine Zehntelsekunde lächelte er. Dann war er wieder ernst. »Und was soll nun werden?«, fragte er.
»Ich lege morgen früh eine Liste an«, sagte Martin. »Und jeder Klassenkamerad nennt mir die Zensuren, die er in den Diktaten seit Michaelis gehabt hat. Ich trage sämtliche Zensuren ein und überreiche Herrn Professor
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