Das Flüstern der Albträume
nach Seife mischte. »Sie sind die Lügnerin.«
Ihr Mund war trocken. Ihre Augen brannten. »Josiah hat mich vergewaltigt. Ich bin das Opfer.«
»Sie hatten Sex mit ihm und haben ihn in einem Anfall von Eifersucht umgebracht.«
»Nein!«
»Doch.«
Peinlicherweise hatte sie geweint. Gott, aber sie war so müde gewesen. »Wieso begreifen Sie es nicht? Josiah hat mich vergewaltigt und mir meinen Anhänger in die Haut gebrannt.«
»Die Feuerwehr sagt, der Anhänger wurde durch die Flammen erhitzt, und als Sie gestürzt und nach hinten gefallen sind, hat er Sie verbrannt.«
»Nein. Josiah hat den Stern in meine Schulter gebrannt.«
»Sagen Sie mir die Wahrheit«, sagte er ganz sanft. »Dann lasse ich Sie Ihre Schwester sehen.«
»Meine Schwester ist hier?«
»Sie wartet draußen.«
Sie blickte zu ihm auf. Als er sie angeschrien hatte, war sie stark geblieben, doch jetzt, da er freundlich zu ihr war, kam sie ins Wanken und war verwirrt. »Ich will Angie sehen.«
»Ich weiß. Sie wartet auf Sie.«
Die durch den Schlafmangel verursachte Benommenheit, Durst und Angst raubten ihr alle Kraft. Sie wollte nur noch, dass der Albtraum ein Ende hatte. »Okay.«
»Was meinen Sie mit ›Okay‹, Eva? Heißt das, Sie haben Josiah umgebracht?«
Sie schämte sich so. »Ja.«
Am liebsten wäre sie vor Garrison geflohen. Er wob ein Netz um sie, aus dem sie sich womöglich nicht mehr würde befreien können.
»Ich habe Sie letzte Nacht in der Menschenmenge gesehen.« Bevor sie es leugnen konnte, wiederholte er: »Ich habe Sie gesehen.«
Im Gefängnis hatte Eva gelernt, auf dem schmalen Grat zwischen Lüge und Wahrheit zu balancieren. Zu viele Lügen waren schwer zu merken, und zu viel Wahrheit konnte einen in Gefahr bringen. »Ich hatte gestern Abend Dienst. Ich habe das Feuer gesehen und war wie erstarrt.«
»Wie lange arbeiten Sie schon im Wohnheim?«
»Ungefähr sechs Monate.«
»Warum gerade hier?«
»Leichte Arbeit, gute Bezahlung.«
Sie zupfte an einem losen Faden. In diesem Fall war sie besser beraten, die Wahrheit zu sagen, denn vermutlich verspeiste Detective Garrison Lügner zum Frühstück. »Ich arbeite im King’s Pub . Sally gehört zu unseren Stammgästen. Vor ein paar Monaten hat sie mir den Job angeboten, und zu Arbeit sage ich nie Nein.«
»Darf ich fragen, wie alt Sie sind?«
»Siebenundzwanzig.«
»Sie sehen zehn Jahre jünger aus.«
»Das höre ich oft.«
»Und wo, sagten Sie, arbeiten Sie?«
»Im King’s . Es ist in der Altstadt. Ich bediene an der Bar und im Gastraum. Außerdem habe ich ganz oben im Haus ein Zimmer.«
Garrison nickte. »Sally sagte, Sie hätten gestern Abend angerufen, um ihr mitzuteilen, dass Sie sich verspäten würden.«
»Danach haben Sie mich doch schon gefragt.«
»Tun Sie mir den Gefallen und beantworten Sie die Frage noch einmal.«
»Ich überbringe in einem Nebenjob Vorladungen. Für den Auftrag gestern Abend habe ich länger gebraucht als erwartet und mich deshalb verspätet.«
»Wie viele Abende in der Woche arbeiten Sie hier?«
»Kommt auf den Dienstplan an. Ein oder zwei.«
»Was sah der gestrige Dienstplan vor?«
Wenn sie pünktlich erschienen wäre, wäre sie jetzt tot, wie ihr mit einem Mal klar wurde. »Ich war von neun bis neun eingeteilt. Normalerweise hätte ich hier übernachtet.«
»Es war wohl ein glücklicher Zufall, dass Sie zu spät kamen.«
Sie sah an Garrison vorbei auf die verkohlten Überreste des Hauses. »Ja.«
»Sally meinte, sie hätten vor einigen Wochen mit einer der Bewohnerinnen eine Auseinandersetzung gehabt.«
»Das stimmt. Mit Brenda. Sie wollte Unruhe stiften, und ich habe das verhindert.«
»Wie haben sie es verhindert?«
»Ich habe ihr gesagt, sie soll wieder nett sein.«
»Das war alles?«
»Das war alles.«
Garrison vermutete, dass sie es etwas anders formuliert hatte. »Wo kann ich Sie erreichen?«, fragte er.
»Warum sollten Sie mich erreichen wollen?« Er erinnerte sie an einen Hund, der eine Fährte aufgenommen hat.
»Nur für den Fall. Manchmal ergeben sich noch Fragen.«
Sie schob die Hände in die Taschen. »Das King’s steht im Telefonbuch.«
»Haben Sie kein Handy?«
»Kann ich mir nicht leisten.« Was stimmte. Es gab ja immer noch Festnetzanschlüsse, außerdem band sie sich nicht gern an etwas, selbst wenn es nur ein Telefon war.
Garrison schien es nicht eilig zu haben. Sie hatte sogar das Gefühl, dass es ihm Spaß machte, das Ganze in die Länge zu ziehen. Cops. Sie waren Kontrollfreaks,
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