Das Flüstern der Albträume
Junge hieß Josiah Cross und sein Vater Darius Cross.«
»Der wohlhabende Geschäftsmann?«
»Ganz genau. Er weigerte sich zu glauben, dass sein Sohn ein Vergewaltiger war. Und er scheute keine Mühe, um zu beweisen, dass der Sex einvernehmlich stattgefunden und das Mädchen seinen Sohn in einem Eifersuchtsanfall getötet hatte.« Eileen schüttelte den Kopf. »Dein Dad hat mir damals erzählt, er habe Einblick in die Akten gehabt. Er meinte, kein vernünftiger Mensch, der die Verletzungen der jungen Frau gesehen hatte und die medizinischen Gutachten kannte, könne an einvernehmlichen Sex glauben. Aber die Freundinnen aus dem Verbindungshaus sagten alle aus, sie hätten gesehen, wie das Mädchen den Jungen getötet hatte. Sie soll ihn mit einem Schürhaken erschlagen haben.«
Garrison nahm einen Schluck aus seiner Flasche. »Wie ging es weiter?«
Mark presste seine Lippen zu einem zornigen Strich zusammen. »Sie wurde wegen Totschlags verurteilt und kam ins Gefängnis.«
»Scheiße.«
Mark zuckte die Achseln. »Darius Cross ließ nicht locker. Er wollte, dass der gute Ruf seines Sohnes wiederhergestellt und das Mädchen bestraft wurde. Keine Ahnung, ob das alles irgendwas mit deinem Fall zu tun hat.« Wieder hob er die Schultern. »Albern, sich an diese alte Geschichte zu erinnern. Ich bezweifle, dass die zwei Fälle miteinander in Verbindung stehen. Das sternförmige Brandmal hat mich nur daran erinnert.«
»Wann, hast du gesagt, ist das passiert?«
»Vor ungefähr zehn Jahren. Als du noch bei der Luftwaffe warst.«
Deacon nahm sich einen Chip und aß ihn. »Könnte nicht schaden, nachzuforschen, ob eines unserer Opfer mit der Sache was zu tun hatte.«
Auf der Straße spiegelte sich das Mondlicht, als Eva den Arm um einen Gast legte und mit der anderen Hand ein Taxi heranwinkte. Der Mann neben ihr schwankte bei jedem Schritt und roch nach dem Gin, den er auf seine Hose verschüttet hatte. Vor etwa einer Stunde war er betrunken im King’s aufgetaucht. Anfangs hatte Eva nicht gemerkt, dass er bereits zu viel getrunken hatte, und hatte ihn bedient. Doch als er nach weniger als zehn Minuten seinen zweiten Gin Tonic bestellte, hatte sie abgelehnt und ein Taxi gerufen.
»Mir geht’s gut, kleines Fräulein«, lallte er.
Wenigstens war er ein fröhlicher Trunkenbold. »Ich weiß.« Das Taxi hielt an, und Eva lehnte den Mann gegen das Auto, während sie die hintere Beifahrertür öffnete. »Nicht vergessen, morgen können Sie sich im King’s Ihren Autoschlüssel abholen. Wir hinterlegen ihn an der Bar.«
Der Betrunkene schenkte ihr ein jungenhaftes Grinsen. »Das vergess ich bestimmt nicht.«
»Ich habe Ihnen für alle Fälle einen Zettel in die Tasche gesteckt.« Sie half ihm auf den Rücksitz und schnallte ihn an. Dann nannte sie dem Fahrer die Adresse, die sie dem Führerschein des Mannes entnommen hatte. »Passen Sie auf sich auf, Harvey.«
Sein Kopf fiel rückwärts gegen das Polster. »Mach ich, Süße.«
Eva schloss die Tür, und das Taxi fuhr los. Ihr Rücken schmerzte, und ihre Füße fühlten sich an, als wären sie zur Größe von Wassermelonen angeschwollen. Sie schüttelte die Müdigkeit ab und ging wieder hinein. Während der nächsten halben Stunde putzte sie die Theke und stellte die Stühle für das morgendliche Reinemachen hoch. King saß in seinem Büro, zählte die Einnahmen des Tages und bereitete die abendliche Einzahlung bei der Bank vor.
In Evas Kopf pochte ein dumpfer Schmerz, als sie die Tür zu ihrem Zimmer aufstieß. Die Lampe im Bad war an und warf sanftes Licht auf die beiden Einzelbetten. Auf dem Nachttisch tickte der Wecker. Es war lange her, dass sie sich nicht einsam gefühlt hatte.
Bevor ihre Mutter gestorben war, hatten sie und ihre Schwester einander nahegestanden. Wenn Angie zu Besuch kam, hatten sie über die üblichen Dinge gestritten, Kleider, Bücher, Essen oder Jungs. Aber sie waren abends auch lange wachgeblieben und hatten sich im Dunkeln flüsternd über ihre Hoffnungen und Träume ausgetauscht. Sie waren ein Team gewesen. Für immer vereint. Und dann war ihre Mom gestorben, und Eva war in eine Pflegefamilie gekommen, weil ihr leiblicher Vater sich aus dem Staub gemacht hatte. Und weil Angies leiblicher Vater nichts von ihr hatte wissen wollen, dem Kind, das während der Affäre gezeugt worden war, die seine Ehe zerstört hatte.
Während der ersten Zeit in der Pflegefamilie war Eva zu kaum mehr als bloßem Funktionieren in der Lage gewesen und hatte sich in
Weitere Kostenlose Bücher