Das Flüstern der Albträume
aus.«
»Schwer zu fassen.« Malcolm fuhr sich mit den Fingern durch das dichte, schwarze Haar.
»Das ist auch meine Befürchtung.«
»Ich habe ein bisschen über Brenneisen recherchiert. Sie können elektrisch sein, oder man erhitzt sie auf altmodische Art im Feuer, genau, wie Dr. Henson gesagt hat. Man kann die verdammten Dinger übers Internet bestellen. Ich habe Jennifer Sinclair beauftragt, die zwanzig wichtigsten Websites zusammenzustellen und Anfragen hinzuschicken.«
»Gut. Ich fahre nachher in den King’s Pub . Ich will mit Eva Rayburn reden und sie über die Nacht ausfragen, in der Josiah Cross sie vergewaltigt und ihr diesen Stern in die Schulter gebrannt hat. Das hängt alles irgendwie zusammen, ich weiß nur noch nicht, wie.«
»Eva Rayburn hasst Polizisten.« In Malcolms Worten lag Verachtung.
Garrison scherte sich nicht darum, was sie mochte und was nicht. »Sie wird sich eben überwinden müssen.«
Als Garrison vor dem King’s hielt, war seine Stimmung auf dem Tiefpunkt angelangt. Der Tag am Tatort war lang gewesen. Das Team der Spurensicherung hatte etliche Proben genommen, er und Malcolm hatten mit allen Schaulustigen gesprochen, und die Pathologin hatte zugesagt, gleich mit der Autopsie zu beginnen. Doch bis jetzt waren sie dem Ziel, einen äußerst vorsichtig und methodisch vorgehenden Mörder zu stellen, keinen Schritt näher gekommen. Und wenn es keine Vermisstenmeldung gab, die auf das Opfer passte, und die Fingerabdrücke der Frau nicht in der Datenbank zu finden waren, konnte es noch einige Zeit dauern, bis sie identifiziert wurde.
Garrison betrat den Pub. Lachen, Musik und das Klappern von Geschirr zerrten an seinen geschundenen Nerven, während er sich in dem brechend vollen Lokal umsah. Das hier war kein Ort, den der durchschnittliche Tourist ansteuerte. Es waren zwar ein paar Leute mit Stadtplänen und Kameras da, aber die meisten Gäste sahen aus, als wären sie gerade von der Arbeit gekommen. Ein paar von ihnen wirkten wie Akademiker, doch der Großteil des Publikums bestand aus einfachen Leuten.
Hinter der Theke erblickte er Eva Rayburn. Sie hatte ihr langes Haar mit einem Gummi zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden und war ungeschminkt, doch das tat ihr sichtlich keinen Abbruch. Ihre klare, blasse Haut und die leuchtenden Augen mit den dichten Wimpern hätten leicht zu stark hervorstechen können, wenn sie sich übermäßig geschminkt hätte. Ihr eng anliegendes, rotes T-Shirt lenkte seinen Blick auf einen schlanken Hals, kleine, feste Brüste und eine schmale Taille. Sie schien ihre Sexualität absichtlich herunterzuspielen, doch irgendwie strahlte sie durch diese Schlichtheit eine feminine Ursprünglichkeit aus, die er sehr attraktiv fand.
Garrison beobachtete, wie sie mit einer kleinen, rothaarigen Kellnerin sprach, während sie fünf Bierkrüge füllte. Routiniert servierte sie das Bier, nahm eine Bestellung auf und füllte zwei Weingläser nach. Ihre Bewegungen waren fließend, und sie schien mit dem Lärm und dem Chaos zurechtzukommen, als wäre sie nichts anderes gewöhnt. Als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte sie auf ihn mehr wie ein Kind als wie eine Frau gewirkt. Doch als er sie nun beobachtete, nahm er so viel Haltung und Selbstvertrauen an ihr wahr, dass es ihm unmöglich erschien, je wieder ein Kind in ihr zu sehen.
Er trat ans Ende der Theke und setzte sich auf einen der Barhocker. Er nahm sich eine Handvoll Nüsse und wartete, bis sie ihn bemerkte. Als es so weit war, schwand ihr Lächeln, und das eben noch so strahlende Selbstbewusstsein schrumpfte merklich zusammen.
Sie straffte die Schultern und kam auf ihn zu, wobei ihre Bewegungen jetzt nicht mehr fließend waren, sondern eher steif wirkten. »Detective Garrison, nicht wahr?«
Es gefiel ihm, wie sie mit ihrer leicht rauchigen Stimme seinen Namen verschleifte. »Sehr gutes Namensgedächtnis, Ms Rayburn.« Er warf einen Blick auf ihr Namensschild, auf dem D ORIS stand. »Was hat es mit dem Namensschild auf sich?«
»Ich habe mir nie die Mühe gemacht, ein neues zu bestellen. Das hier hat der letzten Barkeeperin gehört.«
Eva Rayburn hielt sich nicht damit auf, ihm eine Speisekarte oder ein Gedeck zu bringen. »Sie sind den ganzen Weg hierhergekommen, nur um mich nach meinem Namensschild zu fragen?«
»Ich habe noch ein paar andere Fragen an Sie.«
»Wie Sie sehen, habe ich im Moment viel zu tun. Ginge es ein andermal?« Die Art, wie ihre Finger das Tuch umklammerten, mit dem
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