Das Flüstern der Albträume
den Teller abräumte.
»Kann ich Ihnen noch etwas bringen?«, fragte sie.
»Nur die Rechnung. Und ich hätte eine Frage.« Er griff in seine Jackentasche und zog das Führerscheinfoto von Lisa Black heraus. »Kennen Sie diese Frau?«
Eva blickte auf das Foto, das auf der Theke lag. Anspannung legte sich auf ihr Gesicht und ließ ihre jugendlichen Züge überraschend reif wirken. »Sie haben mir ihr Foto schon einmal gezeigt. Außerdem wurde in den Nachrichten ihr Name genannt.« Eva sah sich um, offenbar in der Hoffnung, dass ein Gast sie brauchte, doch das war nicht der Fall.
Inzwischen war sie nicht mehr nur nervös, sondern in höchstem Maße alarmiert.
»Was verschweigen Sie mir?«
Sie schob das Foto zu Garrison zurück. Einen Augenblick lang zögerte sie, als würde sie ihre Möglichkeiten abwägen. »Ich bin mit ihr aufs College gegangen.«
Garrison hatte nicht mit der Wahrheit gerechnet. »Aufs Price?«
»Genau.« Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Woher wissen Sie, dass ich aufs Price gegangen bin?«
»Ich war beim Sheriff in Taylorsville. Ich habe Ihre Akte gelesen.«
Das Blut wich aus ihrem Gesicht, und sie sah sich nach allen Seiten um. Ganz offensichtlich wollte sie nicht, dass jemand mithörte. »Ich habe mich bemüht, diesen Lebensabschnitt geheim zu halten, seit ich wieder hergezogen bin.«
»Das verstehe ich.« Das Wissen über ihre Vergangenheit konnte sich noch als effektives Druckmittel erweisen, das er bedenkenlos nutzen würde.
»Woher wussten Sie, dass Sie am Price suchen mussten?«
Das Selbstvertrauen war aus ihrer Stimme gewichen, und dahinter kam Furcht zum Vorschein. Garrison schob das Mitleid beiseite, das in ihm aufstieg. »Wieso haben Sie über die Tote beim Wohnheim gelogen?«
»Ich habe nicht gelogen. Ich habe sie wirklich nicht erkannt. Seit dem College hat sie sich sehr verändert. Ich habe nur eins und eins zusammengezählt, als ich ihren Namen in den Nachrichten gehört habe.«
Garrison blickte sich um und sah, dass mehrere Leute an der Theke sie beide anstarrten. »Gibt es hier einen Ort, wo wir uns ungestört unterhalten können?«
Eva betrachtete ihn, als würde sie ihre Optionen abwägen. Schließlich deutete sie mit einem Nicken über ihre Schulter. »Hinten. Lassen Sie mich nur erst jemanden holen, der für mich einspringt.«
Sie brauchte mehrere Minuten, um die rothaarige Kellnerin zu finden, die den Thekendienst übernehmen sollte. Als das geklärt war, kam Eva zu Garrison herüber. Er erhob sich und legte das Geld für Essen und Getränke auf die Theke, zusammen mit einem großzügigen Trinkgeld.
»Wir haben dort drüben einen separaten Gastraum. Im Moment ist er leer.«
»Gut.«
Eva holte einen Schlüssel aus ihrer Schürzentasche und schloss die verglaste Doppeltür auf. Sie wartete, bis Garrison hindurchgegangen war, dann schloss sie die Tür hinter ihnen. In dem Raum waren die Geräusche aus der Bar gedämpft, doch Garrison spürte immer noch den Bassrhythmus in seiner Brust.
Eva strich sich über die Schürze. »Was wollen Sie wissen?«
»Erst möchte ich Ihnen noch ein Foto zeigen.«
Eva schob sich eine verirrte Strähne hinters Ohr und verkrampfte sich. Die blasse Haut betonte die Röte ihrer Lippen und die Dunkelheit ihres Haars und ihrer Wimpern. Für einen langen, angespannten Augenblick hielt sie den Atem an. »Okay.«
Garrison hielt ihr das Polaroidfoto hin. »Kennen Sie diese Frau?«
Sie wappnete sich, bevor sie das Bild ansah, zog die Augenbrauen zusammen und befeuchtete sich die Lippen. »Ihre Augen sind geschlossen.«
»Das stimmt. Kennen Sie sie?«
Evas Blick ruhte auf dem Foto. »Sie war ebenfalls im Price.«
Adrenalin schoss durch Garrisons Glieder. Eine Verbindung. »Wie heißt sie?«
»Ist sie tot?«
»Ja. Wie heißt sie?«
Für einen Moment schloss Eva die Augen. War es Schmerz oder Erleichterung, was über ihre Züge glitt? »Auf dem College hieß sie Sara Miller. Ich weiß nicht, ob sie inzwischen geheiratet und einen anderen Namen angenommen hat.«
»Wissen Sie etwas über sie?«
Eva verschränkte die Arme vor der Brust. Die Geste wirkte nicht aggressiv, sondern abwehrend. »Seit dem College nicht. Ich habe sie nicht mehr gesehen seit … meinem Prozess.« Es klang ein wenig gepresst.
»Niemand hier weiß von Ihrer Verurteilung wegen Totschlags.«
Evas Augen verengten sich. »King weiß es. Er hat mir den Job angeboten, als ich noch im Übergangsheim gewohnt habe. Wie haben Sie sich meine Vergangenheit
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