Das Flüstern der Albträume
entschieden. »Oregon. Portland.«
»Was macht sie?«
»Sie ist Informatikerin.« Angie hatte sich immer vorgestellt, wie ihre Schwester verzwickte Programme schrieb und die Probleme der Welt löste.
»Klingt interessant.«
»Interessanter als Jura.«
Jim streckte die Hand aus und strich ihr eine verirrte blonde Strähne aus den Augen. »Hey, wollen wir hier verschwinden? Ich kenne einen netten Ort zum Kaffeetrinken.«
Die Berührung jagte Angie Stromstöße durch den Körper. Zum Teufel mit den Eingaben. Sie würde eben morgen länger arbeiten. »Klingt gut.«
Er grinste auf eine Art, die ihr Schmetterlinge im Bauch verursachte, und küsste sie. Ehe sie sich versah, folgte sie ihm bereitwillig in die Nacht.
14
Samstag, 8. April, 8:00 Uhr
Die kleine Frau am Empfang hatte dunkles, mit grauen Strähnen durchzogenes Haar und trug eine dunkle Lesebrille, über die sie nun schaute. »Kann ich Ihnen helfen?«
Garrison zückte seine Dienstmarke und stellte sich und Malcolm vor. »Ich habe gestern angerufen. Der Dekan hat eingewilligt, uns heute früh zu empfangen.«
»Er ist in seinem Büro. Ich sage ihm, dass Sie hier sind. Muss ja ganz schön wichtig sein, wenn er am Samstag herkommt.« Die Frau verschwand durch den Flur nach hinten und kam kurz darauf mit einem kleinen Mann mit schütterem Haar zurück. Der Dekan knöpfte sich im Gehen das Jackett zu. »Guten Morgen, die Herren. Ich bin David Potts. Bitte kommen Sie mit.«
Die Detectives folgten ihm und betraten alsbald sein Büro.
Potts bedeutete ihnen, auf den beiden identischen Stühlen vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. »Ich habe die Studienakten von Lisa Black, Sara Miller und Eva Rayburn herausgesucht, wie Sie mich gebeten hatten, und sie mir angesehen. Lisa und Sara stammten aus wohlhabenden Familien und hatten beide gute Noten. Intelligente junge Frauen.«
Garrison blätterte durch Lisas Akte. Ihre Leistungen lasen sich eindrucksvoll. »Sie hat zusätzlich zu ihren Pflichten in der Verbindung noch Tennis gespielt.«
»Und zwar wie ein Profi. Ich erinnere mich an sie. Manchmal ein bisschen albern und naiv, aber ansonsten ein nettes Mädchen.«
»Und Sara?«
»Ebenfalls begabt«, sagte der Dekan und reichte Garrison die Akte. »Sie war eine begeisterte Reiterin.« Potts nahm die Brille ab. »Ich verstehe einfach nicht, wieso irgendjemand ein Interesse daran haben sollte, die beiden umzubringen. Ihnen stand die ganze Welt offen.«
Garrison lehnte sich zurück und betrachtete das Gesicht der jungen Lisa Black. Zu College-Zeiten war sie viel fülliger gewesen. Und sie hatte dunkles, lockiges Haar gehabt. Ihr ganzes Äußeres war weit entfernt von dem, wie sie später ausgesehen hatte.
»Ich habe Eva Rayburn kennengelernt.« Garrison hielt die Aussage bewusst neutral. Er wollte hören, was Potts über Eva zu sagen hatte.
»Ja, als Polizisten wissen Sie vermutlich über sie Bescheid.« Der Dekan verbarg seine Entrüstung nicht. »Sie hat einen ziemlichen Eklat verursacht. Spendenbewilligungen und Zulassungsverfahren waren dadurch nachher jahrelang ein ziemlicher Albtraum.«
»Was können Sie uns über sie erzählen?« Garrison war sehr neugierig, was Eva anging. Er wollte wissen, wie sie gewesen war, ehe Josiah sie vergewaltigt hatte.
»Eva Rayburn hatte exzellente Noten, und ihre Leistungen brachten ihr ein Vollstipendium ein. Tatsächlich bewilligte Price ihr das Stipendium, damit sie überhaupt hierher kam.« Potts schlug das Jahrbuch auf und deutete auf eine Seite mit vier jungen Frauen. Arm in Arm lächelten sie in die Kamera. »Ich weiß noch, dass sie etwas von einer Pfadfinderin hatte. Nachdem sie der Verbindung beigetreten war, brachte sie die anderen dazu, Freiwilligenarbeit in einem Tierheim und in einer Kinderkrippe zu leisten.«
»Sonst noch etwas?«
»Das Lernen fiel ihr sehr leicht, und sie absolvierte ihre Seminare mit Bravour. Das Mädchen hätte alles schaffen können. Wenn sie nicht vom Weg abgekommen wäre, hätte sie nach zwei Jahren ihren Abschluss gemacht.«
»Wer ist das hier auf dem Bild?« Garrison zeigte auf die vierte Frau. Sie trug ein strahlendes Lächeln zur Schau und hatte den Arm um Eva gelegt.
»Kristen Hall.«
»Anscheinend war sie mit Eva gut befreundet.«
»Das nehme ich an.«
»Was heißt das? Dass es für die beiden nicht gerade naheliegend war, Freundschaft zu schließen? Wissen Sie, wo diese Kristen jetzt wohnt?«
Potts drehte sich zu seinem Computer um. »Die Daten müsste ich eigentlich
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