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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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den Kopf. »Daran werde ich niemals glauben. Und wenn die Fürsorger sich in dieser Hinsicht irren, wie kann ich dann darauf vertrauen, dass sie in anderen Dingen Recht haben?«
    »Wieso kämpfst du dann, wenn du nicht in die Schlacht gehst, um den Schöpfer zu preisen?«, wunderte sich Jardir.
    »Ich brauche keine Heiligen Männer, die mich darauf hinweisen, dass die Horclinge bösartig sind und vernichtet werden müssen. Die Dämonen haben meine Mutter getötet und meinen Vater zu einem gebrochenen Mann gemacht. Sie haben meine Freunde, meine Nachbarn und meine Verwandten abgeschlachtet. Und irgendwo da draußen gibt es etwas, das diese Ungeheuer auslöschen kann. Ich werde so lange danach suchen, bis ich es finde.«

    »Du hast Recht, wenn du an dem zweifelst, was diese Fürsorger euch erzählen«, meinte Jardir. »Die alagai sind kein Fluch, sondern eine Prüfung.«
    »Eine Prüfung?«
    »Ja. Durch sie wird unsere Treue zu Everam auf die Probe gestellt, unser Mut und der Wille, gegen Nies Finsternis zu kämpfen. Aber du befindest dich gleichermaßen im Irrtum. Das, was den Untergang der alagai herbeiführt, befindet sich nicht irgendwo da draußen.« Mit einer abwertenden Geste deutete er in die Ferne. »Es steckt hier drin.« Er legte einen Finger auf das Herz des Par’chin . »Und an dem Tag, an dem alle Männer sich ein Herz fassen und in Einigkeit zusammenstehen, wird Nie bezwungen werden.«
    Der Par’chin schwieg eine geraume Weile. »Von diesem Tag träume ich«, entgegnete er dann.
    »Ich auch, mein Freund«, betonte Jardir. »Ich auch.«

    Seit seinem ersten Besuch waren mehr als zwei Jahre vergangen, als der Par’chin wieder einmal zurückkehrte. Jardir blickte von der mit Kreide bekritzelten Schiefertafel hoch, auf der die Schlachtpläne skizziert waren, sah, wie der Mann die Exerzierplätze überquerte, und hatte das Gefühl, sein eigener Bruder sei nach einer langen Reise heimgekehrt.
    »Par’chin !«, rief er und breitete die Arme aus, um ihn an seine Brust zu ziehen. »Willkommen zurück im Wüstenspeer!« Mittlerweile beherrschte er die Sprache des Nordens fließend, obwohl er den Klang der Worte immer noch hässlich fand. »Ich wusste nicht, dass du wieder hier bist. Heute Nacht werden die alagai vor Angst zittern!«
    Erst dann bemerkte Jardir, dass der Par’chin Abban im Schlepptau hatte, obwohl weder er noch Jardir den fetten khaffit noch als Dolmetscher benötigten.

    Bei Abbans Anblick empfand Jardir Ekel. Seit ihrer letzten Begegnung war er noch dicker geworden, und er hüllte sich immer noch in Seidengewänder wie die Lieblingsfrau eines Damaji . Er galt als der einflussreichste Händler im Basar, nicht zuletzt wegen seiner weitreichenden Kontakte im Norden. Er war ein Schmarotzer, der den Profit über Everam stellte, über die Ehre und über Krasia.
    »Was hast du hier zu suchen? Was mischst du dich unter Männer, khaffit ?«, herrschte er ihn an. »Ich habe dich nicht herbestellt!«
    »Er begleitet mich«, warf der Par’chin ein.
    »Jetzt nicht mehr«, erwiderte Jardir mit Nachdruck. Abban verbeugte sich und humpelte schleunigst davon.
    »Ich weiß wirklich nicht, warum du deine Zeit mit diesem khaffit vergeudest, Par’chin .« Jardir spuckte verächtlich aus.
    »Wo ich herkomme, ist nicht nur der Mann etwas wert, der zum Speer greift«, entgegnete der Par’chin .
    Jardir lachte. »Wo du herkommst, Par’chin , greift überhaupt niemand zum Speer!«
    »Dein Thesanisch hat sich sehr verbessert«, stellte der Par’chin fest.
    Jardir gab einen Grunzlaut von sich. »Deine Sprache ist nicht leicht zu lernen, und es fällt mir doppelt schwer, weil ich einen khaffit brauche, um sie zu üben, wenn du nicht da bist.« Missmutig blickte er Abban hinterher. »Sieh ihn dir an. Er kleidet sich wie eine Frau.«
    »Ich habe hier noch keine Frau gesehen, die sich so anzieht«, gab der Par’chin zurück.
    »Das kommt daher, dass du mir nicht gestattest, dir eine Gemahlin zu suchen, deren Schleier du lüften darfst«, versetzte Jardir. Er hatte viele Male versucht, dem Par’chin eine Braut schmackhaft zu machen, um ihn an Krasia zu binden und ihn in seiner Nähe zu behalten, wie Inevera ihm dringend ans Herz gelegt hatte.

    Eines Tages wirst du ihn töten müssen, hörte er in Gedanken Ineveras Stimme, aber er wollte es nicht glauben. Wenn Jardir eine Gemahlin für ihn fand, wäre der Nordländer kein chin mehr und würde als dal’Sharum wiedergeboren. Vielleicht wäre durch diesen symbolischen

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