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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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und sah zu, wie die alagai vor der aufgehenden Sonne flüchteten. Der riesige Felsendämon, den seine Männer nur noch Alagai Ka nannten, tappte vor dem reparierten Tor auf und ab, doch die kraftvollen Siegel wehrten ihn ab. Nicht mehr lange, und auch dieser Koloss würde für einen weiteren Tag in Nies Abgrund zurücksinken.
    Jardir wollte der verzweifelte Blick des Par’chin nicht aus dem Kopf gehen, und wie er darum gekämpft hatte, das Leben des Bannzeichners zu retten. Aber Jardir war fest davon überzeugt, dass er richtig gehandelt hatte, als er ihn tötete und ihm einen ruhmreichen Tod bescherte anstatt ihn als Krüppel dahinsiechen zu lassen. Gleichzeitig hatte er sich dadurch den Par’chin zum Feind gemacht.
    In seinem Volk waren derlei erniedrigende Lektionen gang und gäbe, und kein Mann würde es wagen, höherstehende Personen anzugreifen, um das Leben eines Krüppels zu schonen. Aber immer wieder musste Jardir feststellen, dass die Nordländer mit den Krasianern kaum etwas gemein hatten, selbst der Par’chin unterschied sich drastisch von seinen eigenen Leuten. Die Menschen aus den Grünen Ländern empfanden den Tod nicht als etwas vollkommen Natürliches, das untrennbar mit dem Leben verbunden war. Sie bekämpften ihn mit derselben Verbissenheit, mit der ein dal’Sharum gegen die alagai in die Schlacht zog.
    In gewisser Weise hatte diese Einstellung sogar etwas Ehrenhaftes an sich, fand Jardir. Die dama irrten sich, wenn sie die Nordländer als Wilde bezeichneten. Trotz Ineveras Instruktionen mochte
Jardir den Par’chin . Das Zerwürfnis, das zwischen ihnen entstanden war, nagte an ihm, und er überlegte, wie er eine Versöhnung herbeiführen konnte.
    »Ich dachte mir schon, dass ich dich hier finden würde«, hörte er hinter sich eine Stimme. Jardir gluckste leise in sich hinein. Der Nordländer tauchte offenbar immer dann auf, wenn seine Gedanken um ihn kreisten.
    Der Par’chin stand auf der Mauer und blickte nach unten. Er räusperte sich laut, spuckte aus, und der Schleim traf den Kopf des Felsendämons, der zwanzig Meter tiefer umherpirschte. Der Dämon brüllte wütend, und Jardir und der Nordländer lachten, als die Bestie unter die Dünen sank.
    »Eines Tages wird er tot zu deinen Füßen liegen«, prophezeite Jardir, »und Everams Licht verbrennt seinen hässlichen Leib.«
    »Ja, einmal kommt der Tag«, bestätigte der Par’chin .
    Eine Zeit lang schwiegen beide Männer, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Auf Jardirs Vorschlag hin hatte der Nordländer sich einen Bart wachsen lassen, aber das gelbe Haar in seinem hellen Gesicht machte ihn noch mehr zu einem Außenseiter als die glattrasierten Wangen.
    »Ich bin gekommen, weil ich dich um Verzeihung bitten wollte«, brach der Par’chin schließlich das Schweigen. »Ich habe kein Recht, eure Sitten und Gebräuche zu verurteilen.«
    Jardir nickte. »Und mir steht es nicht zu, die Traditionen deines Volkes abzuwerten. Du hast aus Loyalität gehandelt, und es war falsch von mir, darauf zu spucken. Ich weiß, dass du dich eng an die Bannzeichner angeschlossen hast, seit du unsere Sprache beherrschst. Sie haben viel von dir gelernt.«
    »Und ich von ihnen«, gab der Par’chin zu. »Ich wollte niemanden beleidigen.«
    »Es hat den Anschein, als stellten unsere Kulturen von Natur aus eine Schmähung der jeweils anderen dar, Par’chin «, sinnierte Jardir. »Wenn wir weiterhin voneinander lernen wollen, müssen
wir dem Drang widerstehen, alles, was uns fremd oder absonderlich vorkommt, als eine Kränkung oder Anfeindung aufzufassen.«
    »Ich danke dir«, erwiderte der Par’chin . »Dein Verständnis bedeutet mir sehr viel.«
    Jardir wedelte ungezwungen mit der Hand. »Wir werden nie wieder über dieses Thema sprechen, mein Freund.«
    Der Nordländer nickte und wandte sich zum Gehen.
    »Glauben alle Menschen im Norden dasselbe wie du?«, fragte Jardir. »Dass es keinen Himmel gibt?«
    Der Par’chin schüttelte den Kopf. »Die Fürsorger in meiner Heimat erzählen von einem Schöpfer, der im Himmel weilt und dort die Seelen seiner getreuen Anhänger um sich schart. Im Grunde sagen sie nichts anderes als eure dama . Und die meisten Leute halten das für die Wahrheit.«
    »Du aber nicht«, stellte Jardir fest.
    »Nun, die Fürsorger behaupten auch, die Horclinge seien ein Fluch«, erklärte der Par’chin . »Die Menschen hätten so viele Sünden begangen, dass der Schöpfer uns zur Strafe die Dämonen schickte.« Wieder schüttelte er

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