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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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die Katapultmannschaften lieferten ihm keine Geschosse mehr, mit denen er die Siegel hätte durchbrechen können. Wieder schloss sich der Par’chin dem nächtlichen alagai’sharak an und kämpfte auch in der folgenden Woche Nacht für Nacht im Labyrinth. Am Tag exerzierte er unermüdlich mit den dal’Sharum .
    »Wie es um die anderen Kuriere aus dem Norden bestellt ist, weiß ich nicht«, erklärte Exerziermeister Kaval und spuckte aus, »aber der Par’chin hat eine gute Ausbildung genossen. Er kann vortrefflich mit dem Speer umgehen, und den sharusahk hat er sich angeeignet als sei er dafür geschaffen. Anfangs habe ich ihn zusammen mit den nie’Sharum trainiert, aber jetzt ist er schon weiter als die, die für die Mauer bereit sind.«
    Jardir nickte. Er hatte nichts anderes erwartet.
    In diesem Moment näherte sich ihnen der Par’chin , als hätte er gewusst, dass sie über ihn sprachen. Abban humpelte pflichtgetreu hinter ihm her. Der Nordländer verbeugte sich und sagte etwas.
    »Morgen kehre ich in den Norden zurück, Erster Krieger«, dolmetschte Abban.
    Behalte ihn in deiner Nähe, hallte Ineveras Rat in Jardirs Kopf nach.
    »So bald schon?«, wunderte er sich. »Du bist doch gerade erst eingetroffen, Par’chin !«
    »Genauso kommt es mir auch vor«, erwiderte der Par’chin , »aber ich habe die Aufgabe, Waren und Botschaften abzuliefern, und diese Verpflichtung muss ich einhalten, das bin ich den Leuten, die auf mich angewiesen sind, schuldig.«
    »Es sind doch nur chin !«, meinte Jardir abfällig. In dem Augenblick, als die Worte ausgesprochen waren, wurde ihm klar, dass er einen Fehler gemacht hatte. Es war eine schwerwiegende Beleidigung. Er rechnete fast damit, dass der Nordländer ihn angreifen würde.

    Aber der Par’chin wölbte nur eine Augenbraue. »Macht das einen Unterschied?«, ließ er durch Abban fragen.
    »Nein, natürlich nicht«, lenkte Jardir ein und verbeugte sich zu jedermanns Überraschung tief vor dem Par’chin . »Verzeih mir. Ich bin lediglich enttäuscht, auf deine Gesellschaft verzichten zu müssen.«
    »Ich komme bald zurück«, beteuerte der Par’chin . Er hielt ein in Leder gebundenes Bündel Papiere hoch. »Abban war sehr hilfreich; er gab mir eine lange Liste von Worten zum Lernen mit. Wenn wir uns das nächste Mal treffen, kann ich mich in deiner Sprache hoffentlich ein bisschen besser ausdrücken.«
    »Davon bin ich fest überzeugt«, erwiderte Jardir. Er umarmte den Par’chin und küsste dessen glatte Wangen. »In Krasia bist du immer willkommen, mein Bruder, aber du wirst weniger Aufmerksamkeit auf dich ziehen, wenn du dir einen Bart wachsen lässt wie ein richtiger Mann.«
    Der Par’chin lächelte. »Das werde ich«, versprach er.
    Jardir schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken. »Komm, mein Freund. Es wird langsam Nacht. Wir töten noch einmal alagai , bevor du die heiße Sandwüste durchquerst.«

    In den Monaten nach der Abreise des Par’chin begann Jardir die anderen Kuriere aus dem Norden mit mehr Interesse zu beobachten. Abban pflegte im Basar ein weitreichendes Netz von Beziehungen, und wann immer ein Nordländer auftauchte, erfuhr er es sofort.
    Jardir lud jeden von ihnen der Reihe nach in seinen Palast ein - eine Ehre, die noch nie zuvor einem Fremden gewährt worden war. Die Männer nahmen die Einladungen begeistert an, nachdem man sie jahrhundertelang wie Dreck behandelt hatte und sie in
Krasia eine Stellung einnahmen, die sich sogar noch unter der eines khaffit befand.
    »Ich begrüße die Gelegenheit, die Sprache des Nordens zu üben«, erzählte er den Kurieren, wenn sie an seiner Tafel saßen und von seinen Gemahlinnen bedient wurden. Mit jedem Einzelnen führte er ausgiebige Gespräche, wobei er tatsächlich sein Sprachvermögen verbesserte, obwohl es für seine Gastfreundschaft noch einen anderen Grund gab.
    Nachdem die Mahlzeiten beendet waren, äußerte er immer wieder denselben Wunsch.
    »In der Nacht trägst du einen Speer wie ein Mann«, stellte er fest. »Komm heute ins Labyrinth und kämpfe mit uns wie ein Bruder.«
    Die Männer sahen ihn an, und in ihren Augen konnte er lesen, dass sie keine Ahnung hatten, welch enorm hohe Auszeichnung er ihnen anbot.
    Und ohne Ausnahme lehnten sie ab.
    Währenddessen hielt der Par’chin sein Wort und besuchte Krasia mindestens zweimal im Jahr. Manchmal blieb er nur ein paar Tage, doch zuweilen verbrachte er mehrere Monate im Wüstenspeer und in den umliegenden Dörfern. Immer wieder erschien er

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