Das Flüstern der Nacht
erwiderte nichts.
Sanft berührte sie seinen Arm. »Wenn es dir lieber ist, gebe ich ihm etwas in seinen Tee. Der Tod wird schnell eintreten.«
»Nein!«, brüllte Jardir und riss sich von ihr los. »Bei dir muss es immer nur der Weg der geringsten Ehre sein! Der Par’chin ist
kein khaffit , den man einschläfern kann wie einen Hund! Er verdient es, wie ein Krieger zu sterben!«
»Dann sorge dafür, dass er wie ein Krieger stirbt!«, drängte Inevera. »Jetzt gleich, bevor der alagai’sharak beginnt und die Macht des Speeres erkannt wird.«
Jardir schüttelte vehement den Kopf. »Wenn es denn sein soll, geschieht es im Labyrinth.«
Doch als er von ihr wegging, war er sich keineswegs sicher, ob der Par’chin tatsächlich sterben sollte. Wie konnte er sich zum Shar’Dama Ka erklären, wenn er dabei mit den Füßen auf dem Leichnam seines Freundes stand?
»Par’chin! Par’chin!«
Die Rufe hallten durch das ganze Labyrinth. Von der Mauerkrone aus beobachtete Jardir, wie der Nordländer die dal’Sharum von einem Sieg zum nächsten führte. Kein alagai konnte dem Speer des Kaji standhalten.
Heute Nacht ist er der tapfere Fremde, dachte Jardir. Und morgen wird er der Shar’Dama Ka sein.
Entsprach dies vielleicht Everams Willen? Als Er aus Nies Leere die Welt formte, hatte Er da nicht auch die Menschen des Nordens erschaffen? Musste Er nicht einen Plan für sie haben?
»Aber der Par’chin glaubt nicht an Everam«, sagte er laut.
»Wie kann ein Mann, der nicht das Haupt vor dem Schöpfer neigt, der Erlöser sein?«, fragte Hasik.
Jardir holte tief Luft. »Er ist nicht der Erlöser. Hole Shanjat und unsere vertrauenswürdigsten Männer. Wenn die Welt gerettet werden soll, muss es einen anderen Erlöser geben als ihn.«
Jardir entdeckte den Par’chin an der Spitze eines Trupps Sharum , die seinen Namen skandierten, während sie durch das Labyrinth donnerten. Er war über und über mit schwarzem Dämonenblut beschmiert, aber seine Augen glühten in wilder Begeisterung. Zum Gruß schwenkte er den Speer in hohem Bogen durch die Luft, und Jardirs Herz verkrampfte sich bei der Vorstellung, was er seinem ajin’pal antun musste - etwas weitaus Schlimmeres, als Hasik ihm selbst zugefügt hatte.
»Sharum Ka!«, brüllte der Par’chin . »Heute Nacht wird kein Dämon lebend aus dem Labyrinth entkommen!«
Krieg ist Täuschung, sagte sich Jardir, zwang sich zu einem Lachen und riss seinen eigenen Speer hoch, um die Begrüßung des Par’chin zu erwidern. Dann ging er zu dem Mann hin und umarmte ihn ein letztes Mal.
»Ich habe dich unterschätzt, Par’chin . Das soll nie wieder vorkommen.«
Der Par’chin lächelte. »Das sagst du jedes Mal.« Krieger umringten ihn, die sich in ihrem Triumph sonnten. Schon jetzt konnte er sich nicht mehr darauf verlassen, dass sie seinen Befehlen bedingungslos folgen würden.
»Dal’Sharum!«, brüllte er den Kriegern zu und deutete auf die niedergemetzelten alagai , die in den Gassen des Labyrinths lagen. »Nehmt diese schmutzigen Bestien und schleppt sie auf die Krone der äußeren Stadtmauer! Die Männer, die die Katapulte bedienen, brauchen noch Übungsziele! Die alagai hinter den Mauern sollen sehen, was mit ihnen geschieht, wenn sie den Wüstenspeer angreifen!«
Die Männer brachen in Hochrufe aus und beeilten sich, dem Befehl nachzukommen. Unterdessen wandte Jardir seine Aufmerksamkeit wieder dem Par’chin zu. »Die Aufpasser melden, dass an einem der östlichen Hinterhalte immer noch gekämpft wird. Ist noch etwas Kampfgeist in dir, Par’chin ?«
Der bleckte die Zähne. »Bring mich hin.«
Sie ließen die Sharum zurück und sprinteten durch das Labyrinth, auf einer Route, die bereits von möglichen Zeugen geräumt war. Wie ein Anlocker führte Jardir den Par’chin ins Verhängnis. Schließlich erreichten sie den Hinterhalt. »Oot!«, rief Jardir. Auf dieses Signal hin streckte Hasik ein Bein aus und brachte den Par’chin zu Fall.
Der Nordländer nutzte den Schwung, mit dem er zu Boden fiel, um sich abzurollen, und stand sofort wieder auf den Beinen. Doch mittlerweile waren Jardirs treueste Anhänger aufgetaucht und versperrten ihm den Fluchtweg.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte der Par’chin .
Jardir zerriss es das Herz, als er den Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes sah, der nun begriff, dass er schändlich verraten worden war. Jardir hatte nichts Besseres verdient, als diesen vorwurfsvollen Blick aushalten zu müssen, aber die Falle war
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