Das Flüstern der Nacht
auf den Exerzierplätzen und bat darum, am alagai’sharak teilnehmen zu dürfen.
Ist der Par’chin der einzige richtige Mann im ganzen Norden?, fragte sich Jardir.
Der Bannzeichner, der inmitten einer Blutfontäne zusammensackte, lag noch nicht am Boden, da war der Par’chin schon zur Stelle. Er nahm die Hinterläufe des Sanddämons mit seinen eigenen Beinen in die Zange, ließ sich fallen, und führte in einer tadellosen sharusahk -Technik eine Hüftdrehung aus. Durch die Hebelwirkung
knickte der Dämon in den Knien ein und stürzte in die Grube.
Wie in einer einzigen fließenden Bewegung zückte der Par’chin dann einen Holzkohlestab, besserte das beschädigte Siegel aus und schloss den Zirkel, bevor ein anderer Dämon entkommen konnte. Im nächsten Moment kniete er neben dem Bannzeichner, schnitt seine Kleidung auf und schlug den derben Stoff mit den eingenähten Stahlplatten zur Seite, die alagai -Krallen abwehren sollten. Die Bannzeichner, die die Dämonengruben mit Siegeln ausstatteten, genossen das Privileg, sich mit diesem speziellen Brustpanzer aus Metallstücken schützen zu dürfen, aber es war doch nur ein armseliger Ersatz für einen Schild und einen Speer. Bannzeichner mussten die Hände frei haben.
Die Hände und Arme des Par’chin waren glitschig von Blut, aber ohne darauf zu achten wühlte er in seiner Kampftasche nach Kräutern und Geräten. Verwundert schüttelte Jardir den Kopf. Nicht zum ersten Mal behandelte der Nordländer einen verletzten Krieger, der im Labyrinth am Boden lag. Waren alle Männer des Nordens Bannzeichner und dama’ting in einer Person?
Der Bannzeichner sträubte sich schwach, doch der Par’chin hockte mit gegrätschten Beinen über ihm und hielt ihn mit den Knien fest, während er fortfuhr, die Wunde zu säubern.
»Helft mir!«, rief der Par’chin auf Krasianisch, aber die dal’Sharum sahen ihm nur verwirrt zu. Auch Jardir war verstört. Hier handelte es sich nicht um simple Verletzungen. Begriff der Par’chin denn nicht, dass der Mann zu einem Dasein als Krüppel verdammt wäre, falls er überlebte?
Jardir ging zu den beiden hin. Der Par’chin versuchte, einen Faden in eine gekrümmte Nadel einzufädeln, gleichzeitig presste er seinen Ellbogen auf den Verband. Der Krieger wehrte sich immer noch und machte das Unterfangen unmöglich.
»Halt ihn fest, er darf sich nicht bewegen!«, schrie der Par’chin , als er Jardir näher kommen sah. Jardir achtete nicht auf ihn sondern
blickte dem Krieger in die Augen. Der dal’Sharum schüttelte leicht den Kopf.
Jardir rammte dem Mann seinen Speer ins Herz.
Der Par’chin brüllte, ließ die Nadel fallen und warf sich auf Jardir. Er packte ihn bei seinen Gewändern, stieß ihn mit aller Macht nach hinten und knallte ihn gegen eine Mauer des Labyrinths.
»Was hast du getan?«, schrie der Par’chin .
Überall in dem Hinterhalt hoben Krieger ihre Speere und rückten auf sie zu. Niemandem war es gestattet, Hand an den Ersten Krieger zu legen.
Mit einer Geste brachte Jardir die Männer zum Stehen, ohne den Blick von dem Nordländer abzuwenden, der nicht einmal ahnte, wie nahe er dem Tod gewesen war.
Doch als Jardir ihm in die Augen sah, änderte er seine Meinung. Vielleicht wusste er es doch und es war ihm gleichgültig. Der Tod des Bannzeichners hatte den Nordländer zutiefst aufgewühlt.
»Ich lasse Männer in Würde sterben, Sohn des Jeph«, erwiderte Jardir. »Er wollte deine Hilfe nicht. Er brauchte sie nicht. Er hat seine Pflicht erfüllt, und jetzt weilt er im Himmel.«
»Es gibt keinen Himmel!«, knurrte der Par’chin . »Du hast nichts anderes getan, als einen Mann zu ermorden!«
Jardir spannte die Muskeln an und wand sich mühelos aus dem Griff des Par’chin . Der Nordländer hatte während der vergangenen zwei Jahre mit erstaunlichem Geschick sharusahk gelernt, aber noch war er den meisten dal’Sharum unterlegen, und erst recht einem, der eine Ausbildung im Sharik Hora genossen hatte. Jardir verpasste dem Par’chin einen Kinnhaken und wich dem Schwinger, der dann kam, mit Leichtigkeit aus. Dann drehte er dem Mann den Arm auf den Rücken und warf ihn auf den Boden.
»Nur dieses eine Mal«, raunte er dem Par’chin ins Ohr, »will ich so tun, als hätte ich diese Worte nicht gehört. Sprich noch einmal
deine blasphemischen nördlichen Ansichten aus, und dein Leben ist verwirkt!«
Behalte ihn in deiner Nähe, hatte Inevera ihm geraten, aber er hatte versagt.
Jardir stand allein auf der Mauerkrone
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