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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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seine weiße Robe über. Er hatte die Zeltklappe noch nicht erreicht, da erschien Inevera an der Spitze seiner dama’ting -Gemahlinnen, und ihre Anwesenheit allein bestätigte Ashans Behauptung. Schweigend gingen die Frauen hinter ihm her, als er durch die Stadt marschierte.
    »Welchem Stamm gebührt die Ehre?«, erkundigte sich Jardir.
    »Den Mehnding, Vater«, antwortete Asome. Er war jetzt sechzehn, in jeder Hinsicht ein Mann, und er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit, die man von einem sharusahk -Meister erwartete. Seine sanfte Stimme wirkte umso gefährlicher, weil sie nicht zu seiner hochgewachsenen, schlanken Gestalt in der weißen Robe zu passen schien, die an einen in Seide gehüllten Speer erinnerte.

    »Natürlich«, murmelte Jardir. Ausgerechnet der Damaji , auf dessen Loyalität er sich am wenigsten verlassen konnte, musste das Grab des Kaji entdecken.
    Als sie dort ankamen, wartete Enkaji auf sie, in Begleitung von Jardirs Sohn Savas, den seine Gemahlin aus dem Stamm der Mehnding ihm geboren hatte. Savas trug noch seinen nie’dama -Bido.
    »Shar’Dama Ka !«, rief der Damaji und warf sich auf den staubigen Boden der Grabkammer. »Mir kommt die Ehre zu, dir das Grab des Kaji zu zeigen.«
    Jardir nickte. »Ist es unversehrt?«
    Enkaji stand auf und deutete mit einer weit ausholenden Geste auf den gewaltigen Sarkophag, dessen steinerne Deckplatte entfernt worden war.
    »Ich fürchte, der Par’chin hat ihn gründlich ausgeplündert«, erwiderte Enkaji. »Der Speer fehlt natürlich, aber den hast du ihm ja abgenommen.« Er zeigte auf die verstaubten Fetzen, die das im Sarkophag liegende Skelett einhüllten. »Ob diese Lumpen einst der Heilige Umhang des Kaji waren, vermag ich nicht zu sagen.«
    »Und die Krone?«, fragte Jardir in beiläufigem Ton, als sei dieses Objekt von geringem Wert, obwohl alle ihre ungeheure Bedeutung kannten.
    Enkaji zuckte hilflos mit den Schultern. »Gestohlen. Der Par’chin …«
    »Er hatte sie nicht dabei, als er zum Wüstenspeer kam«, fiel Jardir ihm ins Wort.
    »Dann muss er sie irgendwo versteckt haben«, vermutete Enkaji.
    »Er lügt«, wisperte Abban in Jardirs Ohr.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Jardir.
    »Ein Lügner erkennt einen anderen, verlass dich drauf«, gab Abban zurück.

    Jardir wandte sich an Hasik. »Lass das Grab wieder verschließen«, befahl er. Hasik gab den Sharum , die sich in dem Gang vor der Kammer befanden, ein Zeichen, und die Männer wuchteten die schwere Steinplatte wieder an ihren Platz zurück.
    »Was hat das zu bedeuten?«, wunderte sich Enkaji, als das Fackellicht draußen im Gang plötzlich erlosch. Nur ein paar blakende Fackeln, die in der Grabkammer in Wandhalterungen steckten, verbreiteten noch einen düsteren Schein.
    »Löscht auch diese Fackeln«, bestimmte Jardir. »Die Damajah wird die alagai hora befragen, wer die Krone des Kaji an sich gebracht hat.«
    Enkaji erbleichte, und in diesem Augenblick wusste Jardir, dass Abban Recht gehabt hatte. Er ging auf den Damaji zu, der zurückwich, bis er mit dem Rücken gegen die Wand der Grabkammer stieß.
    »Für jede weitere Minute, die vergeht, ohne dass ich die Krone des Kaji in meinen Händen halte«, drohte er, »lasse ich einen deiner Söhne und Enkelsöhne kastrieren, beginnend mit dem ältesten.«
    Kurz darauf befand sich Jardir im Besitz der Krone, die sich in der Grabkammer eines der Urenkel des Kaji befand.
    Es war ein schmaler Reif aus Gold und Edelsteinen, die in einem Muster aus unbekannten Siegeln angeordnet waren und um den Kopf des Trägers ein Netz formten. Die Krone wirkte filigran, doch selbst unter Aufbietung all seiner Kraft gelang es Jardir nicht, das Gold auch nur ein wenig zu verbiegen.
    Inevera verneigte sich vor Jardir, nahm ihm die Krone ab und streifte sie über seinen Turban. Obwohl sie federleicht war, spürte Jardir dennoch, wie eine große Last auf ihn drückte, als sie seine Stirn umschloss.
    »Jetzt können wir die Grünen Länder erobern«, verkündete er.

Teil II
    Äußere Einflüsse

12
    Hexen
    333 NR - Winter
     
     
    L eeshas Elternhaus kam in Sicht. Gemessen am Wohlstand ihres Vaters war es ein bescheidenes Heim, das an der hinteren Wand der Werkstatt angebaut war, in der ihr Vater Papier herstellte, doch den Ansprüchen der Familie genügte es vollauf.
    Der zur Vordertür führende Pfad war durch Siegel geschützt.
    Nicht, dass Rojer all dem viel Aufmerksamkeit gewidmet hätte. Er ging ein kleines Stück hinter Leesha her, damit sie

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