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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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erzählte Abban.
    Jardirs Blick glitt zu den Listen zurück. »Steht da auch, ob er in Baha kad’Everam war?«, fragte er. Als Abban mit der Antwort zögerte, fuhr er den khaffit wütend an: »Lass mich nicht zweimal fragen. Wenn ich einem unserer Gefangenen aus dem Nordland befehle, mir die Schrift zu entziffern, und erfahre, dass du mich belogen hast …«
    »Ja, er war auch in Baha kad’Everam«, antwortete Abban.
    Jardir nickte mit grimmiger Miene. »Dann hat Abban also doch noch den Rest der Dravazi-Keramiken bekommen«, stellte er fest, als bestünde für ihn nicht der geringste Zweifel daran. Abban erwiderte nichts darauf, doch das war auch nicht nötig.
    »Was bedeuten diese Zeichen am Schluss?« Jardir zog mit dem Finger die Einkerbungen am Ende der Aufzählung nach, obwohl er sich die Antwort denken konnte.

    »Sie nennen den Namen des letzten Ortes, den der Par’chin auskundschaftete, bevor er zum Wüstenspeer kam.«
    »Anochs Sonne«, riet Jardir. Abban nickte.
    »Kann einer der anderen Händler diese Schrift lesen?«
    Abban zuckte mit den Schultern. »Einige sind vielleicht dazu imstande.«
    Jardir gab einen Grunzlaut von sich. »Beauftrage ein paar Männer, sich mit schweren Hämmern auszurüsten und diesen Stein wieder zu Sand zu zertrümmern.«
    »Damit niemand erfährt, dass der Shar’Dama Ka den Fußstapfen eines toten chin folgt?«, fragte Abban.
    Jardir verpasste ihm einen Faustschlag, der den dicken khaffit umwarf. Abban wischte sich das Blut von den Lippen, aber ohne sein übliches Greinen und die jämmerlichen Schreie. Als ihre Blicke sich kreuzten, verrauchte Jardirs Zorn, und er schämte sich. Er wandte sich ab, blickte über die breite Schneise, die seine Leute durch den Sand gezogen hatten, und fragte sich, ob einer dieser Menschen versehentlich auf die vergrabenen Gebeine seines Freundes getreten war.

    »Etwas bedrückt dich«, meinte Inevera, als Jardir in seinen Pavillon zurückkehrte. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Ich denke darüber nach, ob der wahre Erlöser auch bei allem, was er unternahm, ins Grübeln geriet, oder ob sein Gefühl ihm sagte, dass Everam jeden seiner Schritte lenkt und er nur dem vor ihm liegenden Pfad folgen müsse.«
    »Du bist der wahre Erlöser«, betonte Inevera. »Deshalb glaube ich, dass Kaji genauso empfunden hat wie du.«
    »Bin ich wirklich der wahre Erlöser?«

    »Hältst du es für einen Zufall, dass der Speer des Kaji ausgerechnet zu einem Zeitpunkt in deine Hände gelangte, als du bereit warst, die Herrschaft über ganz Krasia zu übernehmen?«
    »Ein ›Zufall‹ war es ganz sicher nicht«, gab Jardir zurück. »Aber du hast mehr als zwanzig Jahre darauf hingearbeitet, mich in eine Stellung zu bringen, die es mir erst ermöglicht hat, die Macht an mich zu reißen. Meinen Aufstieg verdanke ich eher deinen Dämonenwürfeln als eigenen Verdiensten.«
    »Haben die Dämonenwürfel dazu beigetragen, dass du die Herzen der khaffit gewonnen und unser Volk geeint hast?«, hielt Inevera ihm entgegen. »Lag es an den Dämonenwürfeln, dass du im Labyrinth einen Sieg nach dem anderen errungen hast, ehe du den Speer des Kaji überhaupt zu Gesicht bekamst? Waren es die Würfel, die dich dazu bewogen haben, diesen Marsch in die Grünen Länder in Angriff zu nehmen?«
    Jardir schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«
    »Dich bekümmert, was der Par’chin in den Sandsteinmonolithen geschrieben hat«, sagte Inevera ihm auf den Kopf zu.
    »Woher weißt du davon?«, fragte Jardir.
    Inevera winkte ab. »Der Par’chin war nichts weiter als ein Grabräuber. Er war tapfer«, räumte sie ein, während sie einen Finger auf Jardirs Lippen legte, um seinem Einwand zuvorzukommen, »gerissen und kühn, aber dennoch war er ein Dieb.«
    »Und was bin ich, nachdem ich wiederum ihn bestohlen habe?«, warf Jardir ein.
    »Du bist der, der du sein möchtest«, entgegnete Inevera. »Du kannst der Erlöser der gesamten Menschheit sein, du kannst aber auch über vergangene Dinge nachbrüten und die Gelegenheit, die sich dir bietet, tatenlos verstreichen lassen.«
    Sie beugte sich vor und küsste ihn. Es war ein leidenschaftlicher, feuriger Kuss, eine Zärtlichkeit, die ein reines Geschenk war und Jardir daran erinnerte, dass er seine Frau auch jetzt noch von ganzem Herzen liebte. »Ich glaube an dich, auch wenn
du an dir selbst zweifelst. Die Würfel verkünden Everams Willen, und weder sie noch ich hätten zu deinem Aufstieg beigetragen, wenn wir nicht

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