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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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muss wohl echt gewesen sein«, folgerte Abban.
    Jardir wusste, dass der khaffit so mühelos zwischen Wahrheit und Lüge hin und her tänzeln konnte, wie man ein- und ausatmete. »Inevera«, meinte er schließlich. »Nichts geschieht, was nicht Everams Willen entspricht.«

11
    Anochs Sonne
    332 NR
     
     
    D ie Oase der Morgendämmerung war ein Ort von grandioser Schönheit; eine Reihe von Sandsteinmonolithen, in die Siegel eingeritzt waren, schützte ein großes, grasbewachsenes Areal, mehrere Gruppen von Obstbäumen und einen Teich mit frischem, sauberem Wasser, das von demselben unterirdischen Fluss stammte, der auch den Wüstenspeer mit Trinkwasser versorgte. Unter einen Monolithen hatte man eine Treppe in Ala hineingeschlagen, die in eine von Fackeln erhellte Kammer führte; dort unten konnte man mit Netzen im Fluss fischen und mit Leichtigkeit eine Ausbeute machen, die für einen Festschmaus reichte.
    Die Oase war eher klein und als Wegstation für Handelskarawanen gedacht; doch viel häufiger wurde sie von einzelnen Kurieren aufgesucht. Selbstverständlich reichten ihre natürlichen Ressourcen nicht aus, um die größte Streitmacht zu verpflegen, die die Welt seit Jahrhunderten gesehen hatte.
    Jardirs Truppen fielen wie die Heuschrecken darüber her, umstellten die Monolithen mit Tausenden von Zelten und Pavillons. Noch ehe die meisten Krasianer überhaupt eingetroffen waren, hatte man sämtliche Obstbäume geplündert und die Stämme sowie das Astwerk zu Feuerholz zerkleinert; die Viehherden hatten das Gras abgeweidet und den Boden zertrampelt. Tausende von
Männern, die in den Teich hineingewatet waren, um sich die Füße zu waschen und ihre Wasserschläuche zu füllen, hinterließen eine schlammige, stinkende Pfütze. In der unterirdischen Kammer warfen sie Netze aus, doch die gefangenen Fische, von der eine ganze Karawane satt geworden wäre, reichten für die krasianische Horde bei weitem nicht aus.
    Als Jardir sich einen Überblick über das Lager verschaffte, gesellte sich Abban zu ihm. »Erlöser, es gibt hier etwas, das du dir ansehen solltest.«
    Jardir nickte, und Abban führte ihn zu einem mächtigen Sandsteinblock, der über und über mit eingeritzten Zeichen bedeckt war. Einige waren kaum noch zu erkennen, da der ewige Wind der Wüste sie im Laufe vieler Jahre abgeschliffen hatte, andere, die offenbar erst kürzlich in die Oberfläche eingemeißelt worden waren, traten scharf und deutlich hervor. Neben groben, einfachen Kratzern fanden sich auch protzige, kunstvoll ausgearbeitete Schriftzüge. Alle waren im Schreibstil des Nordens gehalten, ein hässliches Gekrakel, mit dem Jardir nur oberflächlich vertraut war.
    »Was sollen diese Zeichen darstellen?«, wollte er wissen.
    »Das sind Inschriften von Kurieren, Erlöser«, erklärte Abban. »Es gibt sie überall in der Oase, und sie enthalten die Namen aller Männer, die auf ihrem Weg zum Wüstenspeer hier eine Rast eingelegt haben.«
    Jardir zuckte die Achseln. »Ja, und?«
    Abban zeigte auf eine große Fläche des Steins, in die Lettern in fließender Kalligraphie eingekerbt waren. Jardir konnte die Botschaft nicht lesen, doch selbst er kam nicht umhin, die Schönheit der Zeichen zu bewundern.
    »Hier steht ›Arlen Strohballen aus Tibbets Bach‹«, entzifferte Abban.
    »Der Par’chin «, brummte Jardir. Abban nickte.
    »Was steht noch da?«, fragte Jardir.

    »Der Text lautet: ›Schüler des Kuriers Cob aus Miln, Kurier im Dienste von Herzögen, in Krasia bekannt unter dem Namen Par’chin und ein treuer Freund von Ahmann Jardir, Sharum Ka des Wüstenspeers.‹«
    Abban hielt inne, damit die Worte einsinken konnten, und Jardir zog eine Grimasse. »Lies weiter!«, herrschte er ihn an.
    »Ich habe die fünf bewohnten Festungen besucht«, las Abban vor und deutete auf die Namen der Städte, die durch einen mit der Spitze nach oben weisenden Speer gekennzeichnet waren, »und fast jedes bekannte Dorf in Thesa.« Abban zeigte auf eine andere, viel längere Liste mit Dutzenden von Namen.
    »Diese Orte, die mit einem nach unten gerichteten Speer markiert sind, zählen die Ruinen auf, die er erkundet hat«, bemerkte Abban und tippte mit dem Finger auf eine dritte, ebenfalls umfangreiche Liste. »In der Zeit, in der der Par’chin sich nicht im Wüstenspeer aufhielt, war er sehr beschäftigt. Er hat sogar krasianische Ruinen erforscht.«
    »Tatsächlich?«
    »Im Basar war der Par’chin ständig auf der Jagd nach Landkarten und alten Legenden«,

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