Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
Vom Netzwerk:
nicht merkte, wie er sie angaffte. Ihre helle Haut bildete einen auffallenden Kontrast zu ihrem nachtschwarzen Haar, und ihre Augen hatten die Farbe des Himmels an einem klaren Tag. Seine Blicke wanderten über ihre weiblichen Rundungen.
    Abrupt drehte sich Leesha zu ihm um; Rojer erschrak und hob mit einem Ruck den Kopf.
    »Hab noch einmal vielen Dank, dass du das für mich tust, Rojer«, sagte Leesha.
    Als ob Rojer ihr je einen Wunsch hätte abschlagen können. »Eine Einladung zum Essen anzunehmen kann man wohl kaum als schwere Arbeit bezeichnen, auch wenn die Küche deiner Mutter einem Horcling Bauchgrimmen bereiten könnte.«
    »Für dich mag so ein Besuch ja halb so schlimm sein«, erwiderte Leesha, »aber wenn ich allein auftauche, setzt meine Mutter
mir bis zum Erbrechen zu, wann ich mir endlich einen Ehemann suche. Wenn du mich begleitest, beherrscht sie sich vielleicht ein bisschen. Vielleicht nimmt sie sogar an, wir beide wären ein Paar, und lässt mich ganz in Ruhe.«
    Rojer sah sie an, und sein Herzschlag setzte plötzlich aus. Er schlüpfte in die Rolle des Jongleurs, und weder seine Mimik noch seine Stimme verrieten, welcher Aufruhr in ihm tobte, als er fragte: »Und du hättest nichts dagegen, wenn deine Mutter glaubt, wir gehörten zusammen?«
    Leesha lachte. »Ich fänd’s herrlich. Die meisten Leute im Ort würden es auch gutheißen. Nur du, Arlen und ich wüssten, wie lächerlich diese Vorstellung ist.«
    Rojer fühlte sich, als hätte sie ihm ins Gesicht geschlagen, aber sein Herz fing wieder an zu pochen, und da er ein meisterhafter Schauspieler war, fiel Leesha nicht auf, was wirklich in ihm vorging.
    »Ich wünschte mir, du würdest ihn nicht so nennen«, wechselte Rojer das Thema.
    »Arlen?«, fragte Leesha, und Rojer zuckte zusammen. »Arlen, Arlen, Arlen«, wiederholte sie lachend. »Es ist doch nur sein Name, Rojer. Ich werde nicht so tun, als ob er keinen hätte, egal, wie mysteriös er erscheinen möchte.«
    »Und ich finde, du solltest ihm seinen Willen lassen«, widersprach Rojer. »Arrick sagte immer, wenn du eine Rolle probst, in der du nie vor Publikum auftreten möchtest, wirst du dich über kurz oder lang ohnehin verraten. Du musst dich nur ein einziges Mal versprechen, und sein Name ist in aller Munde.«
    »Und wenn schon, was ist denn dabei?«, wiegelte Leesha ab. »›Der Tätowierte Mann‹ fühlt sich hier bei uns nicht wohl, weil die Leute ihn als einen Außenseiter betrachten. Hätte er erst einmal einen Namen, würde das bestimmt einiges ändern.«
    »Du weißt doch nicht das Geringste über seine Vergangenheit«, gab Rojer zu bedenken. »Womöglich könnte es jemandem schaden, wenn sein Name bekanntwürde, oder irgendwer macht Jagd
auf ihn, weil er eine alte Rechnung begleichen möchte. Ich habe selbst erfahren, wie es ist, ein solches Leben zu führen. Der Tätowierte Mann hat mich davor bewahrt, von Horclingen getötet zu werden, und wenn er nicht will, dass sein Name bekanntwird, vergesse ich einfach, dass ich ihn jemals gewusst habe, auch wenn das bedeutet, auf die Ballade des Jahrhunderts verzichten zu müssen.«
    »Solche Sachen kann man nicht vergessen«, entgegnete Leesha.
    »Nicht jeder hat so viel Platz im Oberstübchen wie du«, behauptete Rojer und tippte sich an die Schläfe. »Es gibt Menschen, die können nicht alles behalten, was sie gelernt haben. Wenn da oben alles voll ist und nichts Neues mehr reinpasst, vergisst man eben die alten Sachen, für die man keine Verwendung mehr hat.«
    »Das ist Blödsinn«, meinte Leesha, und Rojer zuckte die Achseln.
    »Auf jeden Fall möchte ich dir noch einmal sagen, wie dankbar ich dir bin«, fuhr Leesha fort. »Viele Männer bieten sich an, mich vor Dämonen zu beschützen, aber es findet sich kein Einziger, der bereit wäre, es mit meiner Mutter aufzunehmen.«
    »Ich schätze, Gared Holzfäller würde sich mit beiden anlegen«, gab Rojer zurück.
    Leesha schnaubte. »Er ist meiner Mutter genauso hörig wie alle anderen. Gared hat mein Leben zerstört, und sie will immer noch, dass ich ihm verzeihe und mit ihm Kinder zeuge. Sie tut gerade so, als sei er dadurch, dass er sich als tüchtiger Dämonentöter entpuppt hat, zu einer guten Partie geworden. Meine Mutter ist nichts weiter als eine ränkeschmiedende Hexe, die jedem Menschen in ihrer Umgebung die Seele vergiftet.«
    »Bah!«, rief Roger. »So übel ist sie gar nicht. Wenn man erst weiß, wie sie denkt, kann man mit ihr spielen wie auf einer Fiedel.«
    »Du

Weitere Kostenlose Bücher