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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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hinzugeben, der zweifelsohne ein gut aussehender und gescheiter Mann war. Doch beide Male hatte sich Marick im entscheidenden Moment so verhalten, dass Leesha erkannte, dass er in erster Linie auf die Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse aus war, und erst danach an sie denken würde, falls er überhaupt auf ihre Wünsche Rücksicht nehmen wollte.
    Aber ihre Mutter hatte wieder einmal Recht. Sie sah den Dingen oft auf den Grund, auch wenn sie ihre Erkenntnisse dazu benutzte, Menschen zu verletzen. Leesha war das Alleinsein leid, und in ihrem Herzen wusste sie, dass Arlen niemals ihr Gefährte sein konnte. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, sie könnte für Rojer mehr als nur kameradschaftliche Gefühle aufbringen, aber das war unmöglich. Sie hatte ihn sehr gern, doch es wäre ihr im Traum nicht eingefallen, mit ihm das Bett zu teilen. Marick hatte den Einwohnern von Fort Rizon gezeigt, dass er ein Mann war, auf den man sich in einer Notlage verlassen konnte. Vielleicht war es an der Zeit, dass sie die Wesenszüge an ihm, die sie vorher bemängelt hatte, großzügig übersah und hinter die Fassade aus Eitelkeit und Selbstsucht blickte.
    Sie zupfte die Falten aus ihrem Kleid, wobei sie sich ziemlich töricht vorkam, und klopfte an seine Tür.
    »Ay?«, fragte Marick, als er aufmachte. Sein nackter Oberkörper war feucht, da er gerade aus dem Zuber mit heißem Wasser gestiegen war, der im Zimmer stand. Als er Leesha sah, wirkte er überrascht.

    »Ich möchte dich nicht stören«, begann sie. »Ich dachte nur, bevor du dich schlafen legst, könntest du vielleicht eine warme Mahlzeit gebrauchen.«
    »Ich … ja, hab vielen Dank«, stotterte Marick, schnappte sich sein Hemd und streifte es über. Als er sich anzog, blickte Leesha zur Seite, doch das Bild seines muskulösen Körpers blieb in ihren Gedanken haften.
    Marick nahm das Tablett und sog in tiefen Zügen den verlockenden Duft ein, während er es zu dem kleinen Tisch und dem Stuhl neben dem Bett trug. Er hob den Deckel ab, und darunter kam ein knuspriges, im eigenen Saft schwimmendes Bratenstück mit Beilagen aus gewürzten Kartoffeln und frischem, gedämpftem Gemüse zum Vorschein.
    »Im Tal des Erlösers werden die Lebensmittel bald knapp werden«, erzählte Leesha, »aber Smitts Vorräte werden noch mindestens eine Nacht reichen.«
    »Wenn man fast zwei Wochen lang im Schnee geschlafen hat, ist ein Bett schon der Gipfel an Luxus«, erwiderte er. »Und dieses Essen ist ein wahres Geschenk des Schöpfers.« Er grub seine Zähne in das Fleisch und Leesha empfand eine seltsame Befriedigung, als sie ihm dabei zusah, wie er das Essen verputzte, das sie für ihn zubereitet hatte. Sie erinnerte sich vage an dieses Gefühl aus der Zeit, als sie und Gared einander versprochen gewesen waren und sie das erste Mal für ihn gekocht hatte. Es schien ein Jahrhundert her zu sein, als hätte es in einem anderen Leben stattgefunden.
    »Das hat köstlich geschmeckt«, lobte Marick, als er das Essen vertilgt hatte und sich den Mund an seinem Hemdsärmel abwischte.
    »Das ist nur ein bescheidener Dank für das, was du geleistet hast«, entgegnete Leesha. »Es war eine Heldentat, diese Menschen in Sicherheit zu bringen.«
    »Und das sagst du, nachdem ich dich so enttäuscht habe?«, wunderte sich Marick. Leesha sah ihn verdutzt an.

    »Letztes Jahr«, erklärte Marick, »als der Schleimfluss im Tal ausbrach und du unbedingt nach Hause zurückmusstest, hast du mich doch gebeten, dich hierherzubringen. Ich hätt’s ja getan, aber unter einer Bedingung … die du nicht akzeptieren konntest.«
    »Marick …«, setzte Leesha mit verhaltener Stimme an.
    »Nein, lass zuerst mich ausreden«, unterbrach Marick sie. »Als wir das erste Mal auf der Straße nach Angiers unterwegs waren, war ich so verrückt nach dir, dass ich glaubte, binnen eines Jahres würden wir gemeinsam unser erstes Kind großziehen. Aber dann, im Zelt, als ich nicht … als ich dir kein Mann sein konnte, da…«
    »Marick …«, warf Leesha wieder leise ein.
    »Ich war wie von Sinnen«, fuhr er fort. »Ich wollte nur noch weg von dir, so weit wie nur irgend möglich, doch als wir uns dann getrennt hatten, musste ich unentwegt an dich denken, selbst wenn ich … bei anderen Frauen lag.« Er wandte den Blick ab.
    »Und als ich dich dann wiedersah, wurde ich auf einmal so … hart, und ich wollte mein Versagen ganz schnell wieder wettmachen, bevor mich wieder irgendetwas daran hinderte. Ich habe mich dir gegenüber

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