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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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berichtigte der Tätowierte Mann. »Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie weiterziehen.«
    »Hoffentlich zurück in diese verdammte Wüste«, warf Rojer ein.
    Der Tätowierte Mann schüttelte den Kopf. »Nein. Sie werden Lakton erobern, und danach wenden sie sich nach Norden und kommen direkt in dieses Tal.«
    Leesha spürte, wie ihr Gesicht eiskalt wurde, und Rojer sah aus als müsse er sich übergeben.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte sie.
    »Die Krasianer glauben, dass Kaji, der Erste Eroberer, die Stämme Krasias einte und dann aus der Wüste herausritt, um zwei
Jahre auf die Eroberung der Länder im Norden zu verwenden«, erklärte der Tätowierte Mann. »Er nannte dieses Unterfangen Sharak Sun , den Krieg unter dem Antlitz der Sonne, und er führte die Männer in den Sharak Ka , den Heiligen Krieg gegen die Dämonen. Wenn Ahmann Jardir sich für den zurückgekehrten Erlöser hält, wird er denselben Weg einschlagen.«
    »Und was können wir tun?«, fragte Leesha.
    »Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um uns zu verteidigen«, erwiderte der Tätowierte Mann. »Wir müssen um jeden Zoll des Bodens kämpfen.«
    Leesha schüttelte den Kopf. »Nein. Davon halte ich nichts. Das sind keine Dämonen, die getötet werden müssen, Arlen. Es sind Menschen.«
    »Denkst du, das wüsste ich nicht?«, erwiderte der Tätowierte Mann brüsk. »Ich habe krasianische Freunde, Leesha! Kannst du dasselbe von dir behaupten?« Erschrocken sah sie ihn an, aber sie hatte sich schnell wieder gefangen und schüttelte den Kopf.
    »Eines muss man berücksichtigen«, fuhr der Tätowierte Mann mit verhaltener Stimme, aber ebenso eindringlich fort. »Die Krasianer sind fest davon überzeugt, dass jeder einzelne Nordländer weniger wert ist als selbst der Geringste ihrer eigenen Leute. Es kann sein, dass sie Anführern gegenüber, die ihnen nützlich erscheinen, Gnade walten lassen, aber das gemeine Volk darf nicht mit Barmherzigkeit rechnen. Sie werden jeden, der sich nicht bedingungslos Jardir und dem Evejah unterwerfen will, töten oder versklaven. Wir müssen kämpfen. Wir haben gar keine andere Wahl.«
    »Wir könnten uns nach Angiers zurückziehen«, überlegte Leesha. »Uns hinter den Stadtmauern verschanzen.«
    Der Tätowierte Mann schüttelte den Kopf. »Wir können nicht vor ihnen davonlaufen, und wir dürfen auf gar keinen Fall nachgeben. Ich kenne diese Menschen. Wenn wir Furcht zeigen und
den Rückzug antreten, legen sie das als Schwäche aus und greifen nur umso entschlossener an.«
    »Trotzdem gefällt es mir nicht«, beharrte Leesha.
    Der Tätowierte Mann zuckte die Achseln. »Was dir gefällt oder nicht, ist ohne Bedeutung. Die gute Nachricht ist, dass sie meiner Einschätzung nach über höchstens sechstausend Krieger im waffenfähigen Alter verfügen können. Die schlechte Nachricht lautet, dass selbst der schwächste von ihnen es leicht mit drei unserer Holzfäller aufnehmen kann. Und wenn sie bereit sind, ihren Marsch fortzusetzen, werden sie in Rizon Tausende Sklavensoldaten ausgehoben haben.«
    »Wie sollen wir uns gegen eine solche Übermacht wehren?«, fragte Rojer.
    »Durch Zusammenhalt«, entgegnete der Tätowierte Mann. »Wir müssen sofort mit Lakton Gespräche führen, solange die Wege noch frei sind, und die Herzöge von Angiers und Miln bitten, ihre Streitereien beizulegen und sich einer gemeinsamen Verteidigungsstrategie anzuschließen.«
    »Den Herzog von Miln kenne ich nicht«, mischte sich Rojer ein, »aber ich bin an Rhinebecks Hof aufgewachsen, als mein Meister Arrick sein Herold war. Rhinebeck würde eher mit den Horclingen Frieden schließen als mit Herzog Euchor.«
    »Dann werden wir ihn persönlich davon überzeugen müssen«, meinte Leesha. Sie warf einen herausfordernden Blick auf den Tätowierten Mann. »Wir alle.«
    Der Tätowierte Mann seufzte. »Nach Lakton möchte ich lieber nicht gehen. Dort bin ich nicht willkommen.«
    »Dann stimmt die Geschichte also?«, fragte Rojer neugierig. »Dass die Hafenmeister versucht haben, dich umzubringen?«
    »So ungefähr«, wich der Tätowierte Mann aus.

    In dieser Nacht saß Rojer im Musikpavillon und spielte, um Hunderten von Flüchtlingen Trost zu spenden, die immer noch in Zelten auf dem Friedhof der Horclinge hausten. Viele von ihnen schlenderten herüber, suchten sich einen Platz in der Nähe des Pavillons und entspannten sich in dem warmen Schein des Großsiegels, während sie sich von Rojer verzaubern ließen. Seine Melodien rissen die Leute

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