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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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tiefen Seufzer aus. »Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich finde nur, wir sollten eine Nadel in der Hand haben, auch wenn wir sie nie benutzen.«

16
    Ein Becher und ein Teller
    333 NR - Frühling
     
     
    L eesha sah zu, wie Wonda und Gared auf dem Friedhof der Horclinge zum Kampf antraten und einander langsam umkreisten. Wonda war größer als jede andere Frau im Tal, einschließlich der Rizonerinnen, die dort Aufnahme gefunden hatten, trotzdem wirkte sie verglichen mit dem hünenhaften Gared geradezu zierlich. Sie war fünfzehn und Gared ging auf die dreißig zu. Doch während ihm die innere Anspannung ins Gesicht geschrieben stand, blieb Wondas Miene völlig ruhig.
    Plötzlich schnellte er vor und griff nach ihr, aber Wonda packte sein Handgelenk, drehte sich und drückte mit der freien Hand fest gegen seinen Ellbogen; dann wich sie geschmeidig zur Seite aus und nutzte den Schwung seines Angriffs, um ihn rücklings auf die Pflastersteine zu werfen.
    »Beim Horc, verdammt nochmal!«, röhrte Gared.
    »Gut gemacht«, gratulierte der Tätowierte Mann Wonda, die Gared eine Hand reichte, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Seit er begonnen hatte, die Talbewohner in sharusahk zu unterrichten, entwickelte sie sich zu seiner mit Abstand begabtesten Schülerin.
    » Sharusahk lehrt, wie man Kraft umlenkt«, erinnerte der Tätowierte Mann Gared. »Mit wilden Schlägen allein kommst du hier nicht weiter. Die kannst du dir für die Horclinge aufsparen.«

    »Oder für die Bäume«, ergänzte Wonda, was vielen Frauen und Mädchen, die ebenfalls sharusahk -Unterricht nahmen, ein Kichern entlockte. Die Holzfäller zogen finstere Gesichter. Nicht wenige von ihnen waren von Frauen besiegt und aufs Kreuz gelegt worden, etwas, woran kein Mann gewöhnt war.
    »Versuch es nochmal«, riet der Tätowierte Mann. »Halte deine Gliedmaßen dicht am Körper und festige deinen Schwerpunkt. Biete ihr keine Angriffsfläche.«
    »Und du«, wandte er sich an Wonda, »darfst nicht zu zuversichtlich werden. Der schwächste dal’Sharum hat dir immer noch voraus, dass er sein Leben lang trainieren konnte, du hingegen nur ein paar Monate. An ihnen wirst du beweisen müssen, was du kannst.« Wonda nickte und wurde wieder ernst. Dann verbeugten Gared und sie sich voreinander, und das gegenseitige Umkreisen begann erneut.
    »Sie lernen schnell«, stellte Leesha fest, als der Tätowierte Mann sich zu ihr und Rojer gesellte. Sie trainierte nie zusammen mit den anderen Talbewohnern, aber jeden Tag beobachtete sie aufmerksam, wie sie die sharukin übten, und ihr wacher Verstand merkte sich jeden Bewegungsablauf.
    Und wieder schmetterte Wonda Gared auf den Rücken. Bedauernd schüttelte Leesha den Kopf. »Das ist wirklich eine wunderschöne Kunst. Schade, dass sie nur darauf abzielt, zu verletzen und zu töten.«
    »Die Menschen, die den sharusahk erfunden haben, sind genauso«, erklärte der Tätowierte Mann. »Sie sind beeindruckend, wunderschön und gnadenlos gefährlich.«
    »Und du bist sicher, dass sie bis zu uns vorrücken werden?«, fragte Leesha.
    »Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel, so sehr ich mir auch wünsche, ich würde mich irren.«
    »Wie wird sich Herzog Rhinebeck deiner Ansicht nach verhalten?«, wollte Leesha wissen.

    Der Tätowierte Mann zuckte die Achseln. »Während meiner Zeit als Kurier bin ich ihm ein paarmal begegnet, aber seinen Charakter kann ich wirklich nicht einschätzen.«
    »Viel gibt es über ihn nicht zu sagen«, warf Rojer ein. »Rhinebeck gibt sich mit Vorliebe drei Tätigkeiten hin: Geld zählen, Wein saufen und immer jüngere Bräute beschlafen, in der Hoffnung, eine von ihnen würde ihm einen Erben schenken.«
    »Sein Samen ist nicht fruchtbar?«, fragte Leesha überrascht.
    »So etwas sollte man nie aussprechen, wenn man zufällig belauscht werden kann«, warnte Rojer. »Er hat Kräutersammlerinnen für geringere Beleidigungen hängen lassen. Die Schuld für seine Kinderlosigkeit schiebt er auf seine Gemahlinnen.«
    »Das tun viele Männer, wenn sich der erhoffte Nachwuchs nicht einstellt«, nickte Leesha. »Als ob es ein Zeichen von Unmännlichkeit ist, wenn die Kraft des Samens zum Kinderzeugen nicht ausreicht.«
    »Ja, aber ist das denn nicht so?«, staunte Rojer.
    »Sei nicht albern!«, schimpfte Leesha, doch auch der Tätowierte Mann blickte skeptisch drein.
    »Wie auch immer«, fuhr Leesha fort, »mit Unfruchtbarkeit kannte Bruna sich bestens aus, und sie hat mir alles beigebracht,

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