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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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klopfte Rojer auf die Schulter und ging. Und Rojer fühlte sich, als sei ihm eine schwere Last von der Seele genommen.

    Die Lampen in Leeshas Hütte brannten, als Rojer eintraf, und die Vordertür stand weit offen. Rojer hatte seinen Tarnumhang nicht angelegt, sondern sich die Horclinge mit seiner Fiedel vom Leib gehalten, und das bedeutete, dass Leesha ihn schon lange vor seiner Ankunft gehört hatte.
    Es war ihr übliches Ritual. Leesha war immer noch wach und arbeitete, aber wenn sie in der Ferne seine Fiedel hörte, ließ sie die Tür offen. Rojer traf sie dann dabei an, wie sie entweder die Nase in ein Buch steckte, sich mit einer Stickerei beschäftigte, Kräuter mahlte oder im Garten werkelte.

    Als er Leeshas Pfad mit den Siegeln erreichte, hörte er auf zu spielen, und bis auf die fernen Schreie der Dämonen war die kalte Nacht plötzlich ruhig. Doch sobald das Gekreisch der Horclinge verstummte, hörte Rojer, wie jemand weinte.
    Leesha hockte zusammengekauert in einem uralten Schaukelstuhl, um ihre Schultern hatte sie ein zerfleddertes Umschlagtuch gelegt. Beides, der Stuhl sowie der Schal, hatten ihrer Lehrerin Bruna gehört, und wenn Leesha irgendwelche Zweifel plagten, suchte sie bei diesen Dingen Zuflucht.
    Ihre Augen waren rot und verquollen, das zerknüllte Taschentuch in ihrer Hand durchgeweicht. Als er Leesha so sah, wusste Rojer, was Jona gemeint hatte, als er ihm riet, er solle sich über das freuen, was ihn mit Leesha verband. Selbst wenn es ihr noch so schlechtging, ließ sie ihre Tür für ihn offen. Konnten die anderen Männer, die in ihrem Leben eine Rolle spielten, dasselbe von sich sagen?
    »Du bist doch nicht mehr böse auf mich, oder?«, empfing sie ihn.
    »Natürlich nicht. Wir haben uns nur ein bisschen gezankt, da ist doch nichts dabei.«
    Leesha lächelte gezwungen. »Ich bin froh, dass du das so siehst.«
    »Dein Taschentuch ist schon ganz nass«, bemerkte Rojer. Er vollführte einen flinken Schlag aus dem Handgelenk und zog eines der vielen bunten Taschentücher hervor, die er in seinem Ärmel trug. Er streckte es ihr entgegen, doch als sie danach greifen wollte, warf er es in die Luft und fügte geschwind noch ein paar andere hinzu, die wie aus dem Nichts auftauchten. Indem er mit ihnen jonglierte, schuf er einen Ring aus farbenfrohen Tüchern, der in der Luft schwebte. Leesha lachte und klatschte in die Hände.
    Arrick, Rojers Meister, hätte mit jedem beliebigen Gegenstand in diesem Raum jonglieren können, aber mit seiner verkrüppelten Hand waren Taschentücher das Einzige, was er endlos lange in der Luft kreisen lassen konnte. »Such dir eine Farbe aus.«

    »Grün!«, rief Leesha. Schneller als ihr Auge es wahrnehmen konnte, schnappte seine Hand nach dem Tuch und warf es in ihre Richtung, so dass es aussah, als habe es sich ganz von selbst aus dem Ring gelöst. Rojer fing die restlichen Taschentücher ein und ließ sie wieder verschwinden, während Leesha ihr Gesicht trocknete.
    »Was bedrückt dich?«, fragte er.
    »Es ist schon schlimm genug, dass die Dämonen bei Nacht Jagd auf uns machen«, erwiderte sie. »Aber jetzt bringen sich die Menschen auch noch gegenseitig am helllichten Tag um. Arlen will, dass wir nicht nur gegen die Horclinge, sondern auch noch gegen die Krasianer kämpfen. Wie kann ich das gutheißen?«
    »Ich glaube, du hast gar keine Wahl«, meinte Rojer. »Wenn er Recht hat, dann wird dieser Krieg unter dem Antlitz der Sonne uns einholen, ob wir wollen oder nicht.«
    Leesha seufzte und hüllte sich fester in das Umschlagtuch, obwohl die Hitzesiegel rings um ihre Hütte eine angenehme Wärme verströmten. »Erinnerst du dich noch an die Nacht in der Höhle?«
    Rojer nickte. Sie spielte auf etwas an, das sich im vergangenen Sommer ereignet hatte, ein paar Tage nachdem der Tätowierte Mann sie auf der Straße gefunden und gerettet hatte. Zu dritt hatten sie in dieser Höhle Schutz vor einem Wolkenbruch gesucht, und während sie sich dort aufhielten, erfuhr Leesha, dass Rojer und der Tätowierte Mann die Banditen, die sie beraubt und Leesha vergewaltigt hatten, den Horclingen überlassen hatten. Sie war außer sich gewesen vor Zorn und hatte den beiden Männern vorgeworfen, sie seien Mörder.
    »Weißt du, warum ich damals so wütend auf dich und Arlen war?«, fragte sie. Rojer schüttelte den Kopf. »Weil ich die Männer auch hätte töten können, wenn ich es gewollt hätte.« Sie griff in eine Tasche ihres Kleides und zog eine dünne Nadel heraus, die mit

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