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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Siegel an der Stallwand. Der Tätowierte
Mann verfiel wieder in sein übliches Schweigen, als sie die Pferde unterbrachten und striegelten.
    Wie der Rest des Anwesens, so war auch das Haupthaus eine Ruine; das eingesackte Dach sah aus, als könnte es jeden Moment gänzlich herunterkrachen. Der Tätowierte Mann lotste sie um das Gebäude herum zu einer Gesindeunterkunft, doch selbst dieses Dienstbotenquartier war großzügig angelegt, wenn man die Maßstäbe von Menschen zugrunde legte, die in einem Dorf aufgewachsen waren. Auch hier lag ein Teil des Bauwerks in Trümmern, aber die Tür, durch die der Tätowierte Mann sie führte, war massiv und mit einem Schloss versehen.
    Hinter der Tür lag ein großer Raum, der als Werkstatt eingerichtet war. Jede freie Fläche war bedeckt mit Bannzeichner-Ausrüstung, hinzu kamen versiegelte Fässchen mit Tinte und Farbe, mehrere halbfertige Objekte und Berge von verschiedensten Materialien.
    An einer Seite der Feuerstelle befand sich ein kleiner Schrank. Leesha öffnete ihn und entdeckte einen Becher und einen Teller, eine Schale und einen Löffel. In einem Schneidebrett neben dem erkalteten Kessel im Herd steckte ein Messer.
    »Wie kalt«, flüsterte Leesha. »Und wie einsam.«
    »Er besitzt nicht mal ein Bett«, wisperte Rojer ihr zu. »Er muss auf dem Fußboden schlafen.«
    »Ich dachte immer, ich sei allein, weil ich in Brunas Hütte lebe«, sinnierte Leesha. »Aber wenn ich mir das ansehe …«
    »Hier drüben«, rief der Tätowierte Mann und ging in einen Winkel des Raumes, in dem ein großes Bücherregal stand. Sofort war Leeshas Interesse geweckt und sie eilte zu ihm.
    »Sind das die Grimoires?«, fragte sie, außerstande, ihren Enthusiasmus zu zügeln.
    Der Tätowierte Mann schüttelte den Kopf. »Diese Bücher sind wertlos. Sie zeigen die üblichen Siegel, sind Werke über Geschichte und enthalten einfache Landkarten. Es ist nichts dabei, was du
nicht auch in der Bibliothek von jedem Bannzeichner oder Kurier findest, der in seinem Beruf etwas taugt.«
    »Aber wo …?«, setzte Leesha an, doch der Tätowierte Mann ging zu einer unauffälligen Stelle des Fußbodens und stampfte einmal fest mit der Ferse auf einen ganz bestimmten Punkt. Das Dielenbrett war auf einem Drehgelenk angebracht; indem ein Ende in eine Höhlung einsank, kippte das andere nach oben und legte einen kleinen Metallring frei. Der Tätowierte Mann zog daran und öffnete eine Falltür, deren Ränder uneben und mit Sägemehl ausgefüllt waren, damit sie sich nicht von den umgebenden Dielen unterschieden.
    Er entzündete eine Laterne und stieg als Erster eine Treppe hinunter, die in einen geräumigen Keller führte. Die Wände bestanden aus Stein und die Luft war kühl und trocken. Ein Gang führte in Richtung des eingestürzten Haupthauses, aber ein gewaltiger Steinblock hatte sich aus der Decke gelöst und die Passage blockiert.
    Überall hingen oder stapelten sich Waffen mit Siegeln. Äxte, Speere von unterschiedlicher Länge, Stangenwaffen und Messer, und in alle waren akribisch genau Kampfsiegel eingeritzt. Hier lagerten Dutzende von Armbrüsten. Buchstäblich Tausende von Pfeilen, zu riesigen Garben zusammengefasst.
    Es gab auch Trophäen: Dämonenschädel, Hörner und Krallen, verbeulte Schilde und zersplitterte Speere. Gared und Wonda zeichneten Siegel in die Luft.
    »Hier«, sagte der Tätowierte Mann zu Wonda und gab ihr ein Bündel Speere, um deren Holzschäfte und Metallspitzen sich zierliche Siegel rankten. »Die dringen tiefer in das Fleisch eines Horclings ein als die Pfeile in deinem Köcher.«
    Wondas Hände zitterten, als sie das Geschenk entgegennahm. Sprachlos neigte sie den Kopf, und der Tätowierte Mann verbeugte sich seinerseits.
    »Gared …« Der Tätowierte Mann sah sich um, als Gared vortrat. Er suchte ein schweres einschneidiges Schwert aus, in dessen
Klinge Hunderte von winzigen Siegeln einziseliert waren. »Hiermit kannst du Baumdämonen die Gliedmaßen abhacken als wären es junge Schößlinge.« Mit dem Griff voran hielt er Gared die Waffe hin. Der Hüne fiel auf die Knie.
    »Steh auf!«, fauchte der Tätowierte Mann. »Ich bin nicht der verdammte Erlöser!«
    »Das habe ich auch nicht gesagt«, verteidigte sich Gared mit gesenktem Blick. »Ich weiß nur, dass ich mich mein Leben lang benommen habe wie ein selbstsüchtiger Idiot, aber seit du ins Tal kamst, bin ich zur Einsicht gelangt. Ich habe erkannt, dass ich mich von meinem Stolz und meinen … Gelüsten«, einen

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