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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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»Frauen als Krieger, Frauen als Bannzeichner«, schnaubte er. »Da draußen auf den Dörfern lässt man sie offenbar alles machen.« Leesha wollte protestieren, aber Rojer legte schnell eine Hand auf ihren Arm und sie beruhigte sich wieder.
    Einer der Männer hatte sich dem Tätowierten Mann genähert, der auf Schattentänzer saß. Ein großer Teil des herrlichen, mit Siegeln verzierten Zaumzeugs war abgenommen und versteckt worden, doch das riesenhafte Tier war an sich schon auffallend genug, und dasselbe galt für seinen verhüllten Reiter. Der Wächter vollführte allerhand Verrenkungen, um unter die Kapuze zu schauen. Um ihm entgegenzukommen, hob der Tätowierte Mann ein wenig den Kopf, so dass ein Lichtschimmer auf seine finstere Miene fiel.
    Keuchend wich der Wächter zurück und flitzte zu seinem Vorgesetzten, der sich immer noch mit Rojer unterhielt. Er flüsterte dem Leutnant etwas ins Ohr, woraufhin der die Augen aufriss.
    »Gebt den Weg frei!«, brüllte der Leutnant den anderen Wachposten zu. »Lasst sie passieren!« Er winkte die Gruppe durch, das Tor wurde geöffnet, und sie durften in die Stadt einziehen.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob das gut gelaufen ist oder schlecht«, überlegte Rojer.

    »Was geschehen ist, ist geschehen«, entgegnete der Tätowierte Mann. »Wir sollten uns beeilen, ehe sich die Geschichte herumspricht.«
    Sie tauchten ein in die belebten Straßen der Stadt, die mit Planken belegt waren, um zu verhindern, dass Horclinge einen Weg fanden, innerhalb des Siegelnetzes an die Oberfläche zu steigen. Sie mussten absitzen und die Pferde am Zügel führen, was ihr Vorwärtskommen beträchtlich verlangsamte, dem Tätowierten Mann aber erlaubte, sich hinter dem Karren und zwischen den Tieren zu verstecken.
    Und dennoch wurden sie beobachtet. »Jemand folgt uns«, warnte der Tätowierte Mann, als die mit Brettern gepflasterte Straße an einer Stelle breit genug wurde, dass er neben dem Wagen herlaufen konnte. »Seit wir das Tor passiert haben, hat sich einer der Wächter an unsere Fersen geheftet.«
    Rojer linste über die Schulter und erhaschte einen Blick auf eine Uniform der Stadtwachen, bevor der Mann sich hinter einen Verkaufsstand ducken konnte.
    »Was sollen wir tun?«, fragte er.
    »Im Grunde können wir gar nichts dagegen unternehmen«, meinte der Tätowierte Mann. »Ich habe es dir nur gesagt, weil ich finde, du solltest Bescheid wissen.«
    Rojer kannte sich in dem chaotischen Gewirr aus Straßen und Gassen, die sich scheinbar planlos durch Angiers zogen, gut aus. Auf Umwegen führte er sie durch die überfülltesten Gegenden an ihr Ziel heran, in der Hoffnung, ihren Verfolger abzuschütteln. Dauernd spähte er hinter sich, wobei er so tat als blicke er bewundernd irgendwelchen Frauen nach oder könne sich an irgendwelchen Waren, die an Ständen feilgeboten wurden, nicht sattsehen. Doch der Wachmann war immer da, stets am Rande seines Blickfelds.
    »Wir können nicht bis in alle Ewigkeit im Kreis laufen, Rojer«, entschied Leesha schließlich. »Lass uns jetzt zu Jizell gehen, ehe es dunkel wird.«

    Rojer nickte und lenkte den Wagen auf direktem Weg zu Meisterin Jizells Hospital, das bald in Sicht kam. Das langgestreckte, zweigeschossige Gebäude bestand wie alle anderen Bauten in Angiers fast vollständig aus Holz. An einer Seite gab es einen kleinen Stall, in dem Besucher ihre Pferde unterbringen konnten.

    »Meisterin Leesha?«, rief das Mädchen, das gerade im Stall Dienst tat, überrascht aus, als der Karren vor das Tor rumpelte.
    »Ja, ich bin’s wirklich, Roni.« Leesha lächelte. »Meine Güte, bist du gewachsen! Hast du auch fleißig gelernt, während ich fort war?«
    »Oh ja, werte Dame!«, erwiderte Roni, aber dabei sah sie zuerst Rojer an und danach Gared, wobei ihre Blicke bei dem gut aussehenden Holzfäller hängenblieben. Roni war eine vielversprechende Schülerin, doch sie ließ sich leicht ablenken, vor allen Dingen von Männern. Mit ihren fünfzehn Jahren war sie voll zur Frau erblüht und hätte wohl bereits einen Ehemann und Kinder, wenn sie in einem Dorf leben würde; aber in den Freien Städten heirateten die Frauen später, und dafür war Leesha dankbar.
    »Lauf und sag Meisterin Jizell, dass wir angekommen sind«, trug Leesha ihr auf. »Ich hatte keine Zeit, um ihr zu schreiben, und vielleicht hat sie nicht genug Zimmer für uns alle.«
    Roni nickte und sauste los. Noch ehe sie die Pferde versorgt hatten, schrie eine Frau: »Leesha!« Leesha drehte sich

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