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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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er sich wieder seinen Besuchern. Dieses Mal knöpfte er sich Gared vor. »Du bist Hauptmann Gared von den Holzfällern?«, fragte er.

    »Ähm … nur Gared, Euer Wichtigkeit«, stotterte Gared verlegen. »Klar, ich führe die Holzfäller an, aber ich bin kein Hauptmann. Ich kann halt nur gut mit einer Axt umgehen.«
    »Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, Bursche«, meinte Rhinebeck. »Niemand lobt einen Mann, der sich nicht selbst empfiehlt. Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was man sich über dich erzählt, dann kann es sehr gut sein, dass ich dir selbst eine Bestallung verleihe.«
    Gared öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es war offensichtlich, dass er keine Ahnung hatte, was die höfische Etikette jetzt von ihm verlangte. Deshalb machte er lediglich eine Verbeugung, wobei er den Oberkörper so tief nach unten neigte, dass Rojer fürchtete, er könnte mit dem Kinn auf dem Boden aufschlagen.

    Leesha nippte an ihrem Tee; über den Rand ihrer Tasse hinweg betrachtete sie die Herzoginmutter, die wiederum Leesha mit einer ähnlich unverhohlenen Neugier musterte. Araines Dienstboten hatten den Tisch zwischen ihnen mit einem funkelnden silbernen Teeservice gedeckt und Platten mit Pasteten und hauchdünnen Schnittchen aufgetragen, bevor sie sich diskret entfernten. Mit einer silbernen Glocke, die neben den Köstlichkeiten auf dem Tisch stand, konnte man die Bediensteten jederzeit wieder zurückrufen, wenn man sie brauchte.
    Wonda saß verkrampft da, als versuche sie, sich vor der Herzoginmutter genauso unsichtbar zu machen wie in ihrem Tarnumhang vor den Horclingen. Sehnsüchtig schielte sie auf die Platte mit den belegten Schnittchen, aber sie schien Hemmungen haben, sich eines zu nehmen, weil sie dadurch die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hätte.

    Die Herzoginmutter wandte sich an sie. »Mädchen, wenn du dich kleidest wie ein Mann und einen Speer trägst, darfst du dich nicht wie eine schüchterne junge Debütantin benehmen, deren erster Verehrer seine Aufwartung macht. Iss. Diese Schnittchen sind nicht zur Dekoration da.«
    »Entschuldigung, Euer Gnaden«, murmelte Wonda und verbeugte sich unbeholfen. Sie nahm sich eine Handvoll Schnittchen und stopfte sie sich in den Mund, ohne Serviette oder Teller zu benutzen. Araine verdrehte die Augen, aber sie schien Wondas fehlende Manieren eher erheiternd als abstoßend zu finden.
    Danach richtete die Herzoginmutter das Wort an Leesha: »Und was dich betrifft: Ich kann dir am Gesicht ansehen, dass dir jede Menge Fragen auf der Zunge brennen, also sprich sie ruhig aus. Ich werde nicht jünger, während wir warten.«
    »Ich gestehe, ich bin ein wenig … überrascht, Euer Gnaden«, gab Leesha freimütig zu. »Ihr seid ganz und gar nicht so, wie ich erwartet hatte.«
    Araine lachte. »Soll das eine Anspielung darauf sein, dass ich vor den Männern die gebrechliche Alte mime? Beim Schöpfer, Mädchen, Bruna hat behauptet, du seist gewitzt, und ich hätte an ihrem Urteil gezweifelt, wenn du mich nicht durchschaut hättest.«
    »Ich lasse mich nie wieder täuschen, das versichere ich Euch«, entgegnete Leesha, »aber offen gestanden verstehe ich nicht, warum Ihr Euch überhaupt verstellen müsst. Bruna hat nie so getan, als sei sie …«
    »Klapprig?«, half Araine lächelnd aus, nahm sich eines der delikaten Schnittchen, stippte es elegant in ihren Tee und verputzte es mit zwei schnellen Bissen. Wonda versuchte, sie nachzuahmen, aber sie ließ das Schnittchen zu lange in ihrem Tee, so dass es brach und eine Hälfte in der Tasse landete. Araine schnaubte durch die Nase, als das Mädchen eilig den Tee mitsamt dem Schnittchen in einem einzigen hastigen Schluck herunterspülte.

    »Genau das meinte ich, Euer Gnaden«, bekräftigte Leesha.
    Die Herzoginmutter bedachte Leesha mit einem ihrer vorwurfsvollen Blicke. Leesha fühlte sich an Lord Janson erinnert, und sie fragte sich, ob der Erste Minister ihre Mimik nachahmte. »Die Verstellung muss sein«, erklärte Araine, »weil Männer sich in Gegenwart einer scharfsichtigen, intelligenten und tüchtigen Frau in Dickschädel verwandeln, die auf Biegen und Brechen ihren Willen durchsetzen wollen. Gegenüber einem Dummchen, das nicht bis drei zählen kann, werden sie mitunter weich wie Butter und lassen sich nach Belieben formen. Werde noch ein paar Jahrzehnte älter, dann wirst du mich verstehen.«
    »Bei meiner Audienz mit Seiner Gnaden werde ich daran denken«, erwiderte Leesha.
    Araine prustete wieder durch die

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