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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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gleichzeitig fand sie seine Gegenwart … erdrückend, ein Gefühl, das sich zunehmend verstärkte. Was er befürchtet hatte, war eingetreten, die Talbewohner und Flüchtlinge verließen sich darauf, dass er ihnen half, anstatt die Lösung ihrer Probleme selbst in Angriff zu nehmen. Aber hatte sie, Leesha, sich nicht genauso verhalten? Vielleicht war es für alle das Beste, wenn er das Tal für eine Weile verließ.
    Als der passende Moment für eine Antwort verstrichen war, nickte Araine und nippte wieder an ihrem Tee. »Ich bin mir noch nicht schlüssig, was mit Arricks Bengel geschehen soll. Seine sogenannte Fiedelmagie sollte näher überprüft werden, aber bis jetzt habe ich diesbezüglich noch keine konkreten Pläne.«
    »Es ist keinesfalls Magie«, stellte Leesha richtig. »Jedenfalls nicht in dem Sinne, in dem wir es verstehen. Mit seiner Musik übt er lediglich einen gewissen … Einfluss auf Horclinge aus. Wie ein Jongleur eine Zuschauermenge in seinen Bann zieht. Es ist eine äußerst nützliche Fertigkeit, aber sie wirkt nur so lange, wie er auf der Fiedel spielt, und es ist ihm noch nicht gelungen, anderen Leuten diese Kunst beizubringen.«
    »Er könnte einen guten Herold abgeben«, sinnierte Araine. »Auf jeden Fall wäre er besser als Jansons Neffe, dieser eingebildete Geck, obwohl das nicht viel zu bedeuten hat.«
    »Mir wäre es lieber, wenn Rojer bei mir bleibt, Euer Gnaden«, erklärte Leesha.
    »Oho! Tatsächlich?«, fragte Araine vergnügt. Sie lehnte sich über den Tisch und kniff Leesha in die Wange. »Ich mag dich, Mädchen. Du hast keine Angst, frei deine Meinung zu sagen.«
Sie lehnte sich zurück, musterte Leesha eine Zeit lang und zuckte dann mit den Schultern. »Ich bin in großzügiger Stimmung«, verkündete sie und füllte die Teetassen nach. »Du darfst ihn behalten. Und nun lass uns über diese ›Erlösergeschichte‹ sprechen.«
    »Der Tätowierte Mann behauptet keineswegs, er sei der Erlöser, Euer Gnaden«, betonte Leesha. Sie schnaubte. »Bei der Nacht, er beißt jedem den Kopf ab, der so etwas sagt.«
    »Trotzdem glauben die Leute, dass er tatsächlich der Erlöser ist«, wandte die Herzoginmutter ein. »Warum sonst hätte man das Tal der Holzfäller plötzlich in das Tal des Erlösers umbenannt … ohne herzogliche Erlaubnis, wie ich hinzufügen möchte.«
    Leesha hob und senkte die Schultern. »Darüber hat der Rat der Stadt entschieden, ich hatte nichts damit zu tun.«
    »Aber du hast auch nichts dagegen unternommen«, bemerkte Araine.
    Wieder zuckte Leesha die Achseln.
    »Glaubst du es?« Araine fixierte sie mit einem durchdringenden Blick. »Denkst du , er sei der Erlöser, der zurückgekehrt ist?«
    Leesha sah die Herzoginmutter eine geraume Weile an. »Nein«, antwortete sie schließlich. Wonda sog geräuschvoll den Atem ein, und Leesha strafte sie mit einem wütenden Blick.
    »Deine Leibwächterin scheint anderer Ansicht zu sein«, folgerte Araine.
    »Es steht mir nicht zu, den Leuten vorzuschreiben, was sie glauben und was sie nicht glauben sollen«, versetzte Leesha.
    Araine nickte. »Natürlich nicht. Das Gleiche gilt für den Rat eurer Stadt. Janson hat bereits ein Schreiben aufgesetzt, in dem der Namenswechsel seitens des Herzogs ausdrücklich verurteilt wird. Euer Stadtrat wäre klug beraten, wenn die Ortsschilder schleunigst wieder geändert werden.«
    »Ich werde den Rat davon in Kenntnis setzen, Euer Gnaden«, versprach Leesha. Angesichts der vagen Antwort kniff die Herzoginmutter leicht die Augen zusammen, sagte jedoch nichts.

    »Und die Flüchtlinge?«, schnitt Leesha abrupt das Thema an, das ihr auf der Seele brannte.
    »Was soll mit ihnen sein?«, fragte Araine.
    »Werden sie bei Euch Aufnahme finden?«
    Die Herzoginmutter zog unfein die Nase hoch. »Und wo sollen wir sie unterbringen? Womit sollen wir sie verpflegen? Benutze deinen Verstand, Mädchen. Angiers duldet sie, aber Fort Angiers, die Festung, kann nicht so viele Menschen beherbergen. Sollen sie doch die Dörfer im Umland bevölkern, so wie euer Tal. Die Bannzeichner und Soldaten, die ich zu euch entsende, sind ein Zeichen dafür, dass der Herzog in dieser schweren Zeit unseren Nachbarn volle Unterstützung gewährt, und wir werden einfach vergessen, dass ihr uns noch etliche Fuhren Holz schuldet.«
    Leesha schürzte die Lippen. »Das reicht bei weitem nicht, Euer Gnaden. Wir brauchen mehr. Jeweils drei Flüchtlinge teilen sich eine wärmende Decke, und die Kinder laufen in Lumpen herum. Wenn Ihr

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