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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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die Brust verpasst.
    »Was?«, hauchte sie.
    »Du musst weg von hier, bevor dich jemand sieht. Wenn dein Dad mich nicht umbringt, dann tut es meiner.«

    »Du hast dreißig Sommer gesehen und bist stark wie ein Pferd!«, schrie Renna. »Hast du etwa mehr Angst vor unseren Vätern als ich?«
    »Dein Dad wird nicht dich kaltmachen, sondern mich!«
    »Nein, aber er wird mir so zusetzen, dass ich beten werde, ich möge sterben!«
    »Ein Grund mehr, dass du von hier abhaust, ehe er uns zusammen findet«, drängte Cobie. »Selbst wenn der Fürsorger uns verheiratet, werden unsere Väter uns nicht in Ruhe lassen. Du kennst meinen Dad nicht. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, dass ich Eber Sumpfigs Tochter heirate, und wenn er mir bei dem Ehegelöbnis die Mistgabel in den Rücken stechen muss, damit ich nicht kneife. Für das Versprechen hat er Eber jede Menge Fische gegeben.«
    »Dann lass uns weglaufen!« Renna klammerte sich an seinen Arm. »Nach Sonnige Weide oder sogar zu den Freien Städten. Du könntest ein richtiger Kurier werden, wenn du ihrer Gilde beitrittst.«
    »Und ohne Schutz im Freien übernachten?«, fragte Cobie entsetzt. »Bist du irre?«
    »Aber du hast doch gesagt, dass du mich liebst.« Verzweifelt berührte Renna die Halskette aus Flusskieseln. »Du sagtest, nichts könnte uns trennen.«
    »Das war, bevor dein Dad mir beinahe die Eier abgeschnitten hätte, und mein Dad hat sich noch viel schlimmer aufgeführt«, erklärte Cobie und sah sich hektisch im Raum um. »Ich sollte heute Nacht auch nicht hierbleiben«, murmelte er, »für den Fall, dass Harl dich suchen kommt, ehe es dunkel wird. Lauf du nach Torfhügel und bleib bei deiner Schwester. Ich renne zu meinem Dad, damit er weiß, dass ich nichts getan hab. Komm!« Er legte eine Hand auf Rennas Rücken und schob sie zur Tür. Sie war dermaßen geschockt, dass sie es geschehen ließ.
    Als Cobie die Tür öffnete, stand Harl vor ihm, das Messer in der Hand. Hinter ihm lag eines der Mulis röchelnd am Boden. Er war ohne Sattel geritten.

    »Hab ich dich erwischt!«, brüllte Harl und schlug Cobie mit voller Wucht ins Gesicht. Seine Faust, die sich um den schweren Messergriff schlang, fegte Cobies Kopf mit einem Ruck zur Seite, und er stürzte zu Boden. Mit der freien Hand griff Harl nach Renna, und seine harten, knochigen Finger gruben sich schmerzhaft in ihren Arm.
    »Lauf ruhig los und bettle bei deiner Schwester um Schutz!«, schrie er mit wutverzerrtem Gesicht. »Ich werde dich einholen, und dann kümmere ich mich um dich!« Während er sie zur Tür stieß, flackerte sein Blick zu Cobie.
    »Es ist nicht so, wie es aussieht!«, schrie Cobie, stemmte sich auf ein Knie hoch und streckte eine Hand aus, um Harl abzuwehren. »Ich hab sie nicht gebeten, hierherzukommen!«
    »Beim Horc, natürlich nicht!«, höhnte Harl und hob das Messer. »Ich hab dir was versprochen, Junge, und ich steh zu meinem Wort!«
    Er sah flüchtig zu Renna hinüber, die starr vor Schreck dastand. »Verschwinde endlich!«, donnerte er. »Ich sperre dich so oder so eine Woche lang im Abort ein. Mach nicht noch zwei daraus!«
    Entsetzt wich Renna zurück, und Harl wandte sich von ihr ab. Blitzartig kehrte die Erinnerung an die Nacht im Abort zurück, sie durchlebte scheinbar endlose Stunden der Qual noch einmal in kaum einer Sekunde. Sie dachte an das, was danach kam, an das stinkende Bett ihres Vaters, an das Gewicht seines faltigen, ausgemergelten Körpers, wenn er grunzend auf ihr lag und zustieß.
    Sie dachte daran, zum Hof zurückzulaufen, und in diesem Moment zerbrach etwas in ihr.
    »Nein!«, kreischte sie, stürzte sich auf ihren Vater und zerkratzte ihm mit ihren Fingernägeln das Gesicht als wären es Krallen. Überrumpelt kippte er nach hinten und schlug mit dem Hinterkopf auf dem Boden auf. Sie versuchte, ihm das Messer zu entwinden, aber Harl war stärker als sie und behielt es in der Hand.

    Mittlerweile stand Cobie wieder auf den Beinen, aber er traf keine Anstalten, ihr beizustehen. »Cobie!«, flehte sie. »Hilf mir!«
    Harl boxte Renna ins Gesicht, schlug sie nieder und sprang auf sie, um sie am Boden festzuhalten; sie biss ihn in den Arm, und schmerzerfüllt heulte er auf. Nochmal landete seine Faust in ihrem Gesicht, dann versetzte er ihr drei Hiebe in die Magengrube, bis sie die Zähne aus seinem Fleisch löste.
    »Kleines Luder!«, fauchte er, als er sah, wie das Blut aus seinem Arm quoll. Ein Knurren löste sich aus seiner Kehle, er ließ das Messer fallen

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