Das Flüstern der Nacht
Prüfung seiner Mannhaftigkeit bevor. Während der wochenlangen Reise würden sie im Freien übernachten. Er würde alagai aus nächster Nähe sehen und seinen Feind in Wirklichkeit kennenlernen, nicht nur als Kreidestriche auf einer Tafel oder als etwas, das er von ferne sah, während er auf den Mauerkronen hin und her rannte. Dieser Tag bedeutete in vielerlei Hinsicht einen echten Neubeginn.
Nachdem die nie’Sharum entlassen waren und sich anschickten, die ihren zugeteilten Pflichten zu erfüllen, wandte sich Abban an Jardir. Er grinste, boxte auf Jardirs Bizeps und den darum geschlungenen Lederstreifen. »Nie Ka«, bemerkte er. »Du verdienst diese Ehre, mein Freund. Nicht mehr lange, und du bist ein kai’Sharum , der wahre Krieger in einer Schlacht befehligt.«
Jardir zuckte die Achseln. »Inevera«, erwiderte er. »Was immer der Morgen bringen mag. Für heute ist es genug der Ehre.«
»Vorhin hattest du natürlich Recht«, fuhr Abban fort. »Mein Herz ist manchmal verbittert, wenn ich sehe, wie khaffit behandelt werden, und ich habe dieser Bitterkeit schon oft Ausdruck verliehen. Die Bahavaner verdienen unseren Schutz und darüber hinaus noch viel mehr.«
Jardir nickte. »Ich konnte mir schon denken, was dich zu dieser Bemerkung bewogen hat«, lenkte er ein. »Auch ich habe Dinge gesagt, die ich nicht hätte sagen sollen. Ich weiß, dass mehr in deinem Herzen steckt als die Raffgier eines Händlers.«
Er drückte Abbans Schulter, und eilig machten sich die Jungen an ihre Arbeit, denn sie mussten die Vorbereitungen für die Expedition treffen.
Um die Mittagsstunde brachen sie auf, fünfzig Kaji-Krieger, unter ihnen Hasik, dama Khevat, Exerziermeister Kaval, zwei Krevakh-Aufpasser und Jardirs Trupp aus Elite- nie-Sharum . Ein paar der Krieger, die Ältesten, kutschierten abwechselnd die von Kamelen gezogenen Proviantkarren, aber alle übrigen marschierten zu Fuß und führten den Zug durch das Labyrinth zum großen Stadttor an. Jardir und die anderen Jungen saßen während der Durchquerung des Labyrinths auf den Karren, um den geweihten Boden nicht zu beflecken.
»Nur dama und dal’Sharum dürfen ihre Füße auf das Blut ihrer Brüder und Vorfahren setzen«, hatte Kaval sie eindringlich gewarnt. »Wer das Verbot missachtet, dem wird es schlecht ergehen.«
Sobald sie aus der Stadt heraus waren, knallte der Exerziermeister seinen Speer gegen die Karren. »Alle absteigen!«, brüllte Kaval. »Wir laufen nach Baha!«
Abban sah Jardir ungläubig an. »Der Weg führt eine Woche lang durch die Wüste! Und wir tragen nur die Bidos, um uns vor der Sonne zu schützen!«
Jardir sprang vom Karren herunter. »Dieselbe Sonne scheint auf uns herunter, wenn wir auf den Exerzierplätzen üben«, entgegnete er. Er deutete auf die dal’Sharum , die vor den Versorgungskarren stapften. »Sei froh, dass du nur deinen Bido anhast«, meinte er. »Die schwarze Kriegertracht zieht die Hitze an, und außerdem schleppt jeder Mann noch seinen Speer und Schild mit sich, ganz zu schweigen von der Panzerung unter der Kleidung. Wenn sie zu Fuß gehen, schaffen wir das auch.«
»Na, komm schon, willst du nicht deine Beine strecken, nachdem sie so viele Wochen lang in Gips lagen?«, spottete Jurim. Feixend schlug er Abban auf die Schulter und hopste vom Wagen.
Der Rest der nie’Sharum folgte und setzte sich in Marsch, während Jardir den Takt ausrief, um mit den Karren und Kriegern Schritt zu halten. Kaval ging am Schluss und passte auf, aber das Kommando überließ er Jardir, der fast platzte vor Stolz, weil sein Exerziermeister ihm dermaßen vertraute.
Die Wüstenstraße bestand aus einer Reihe uralter Markierungspfosten, die sich an einem Pfad aus gebackenem Sand und hartem Lehm entlangzogen. Der unablässig wehende Wind peitschte Menschen und Tiere mit heißem Sand, der sich auf der Trasse sammelte und das Laufen erschwerte. Die Sonne heizte den Sand so stark auf, dass er selbst durch die Sandalen brannte. Trotz allem
marschierten die nach jahrelangem, erbarmungslosem Training abgehärteten nie’Sharum ohne zu murren. Jardir sah sie an und war stolz auf sie.
Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass Abban nicht mithalten konnte. Er war in Schweiß gebadet, auf dem unebenen Boden hinkte er immer stärker, und er strauchelte oft. Einmal prallte er mit Esam zusammen, der ihn heftig gegen Shanjat schubste. Shanjat stieß ihn zurück, und Abban landete schwer auf dem Boden. Die anderen Jungen lachten, als Abban Sand
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