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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Bestimmung macht diese Männer zu khaffit ? Sind sie alle Feiglinge? Und was ist mit den Kindern? Warum holt man die Mädchen nicht, um sie zu verheiraten, und die Jungen, damit sie ihren Hannu Pash beginnen?«
    »Ihre Vorfahren waren möglicherweise khaffit , weil sie versagt haben, mein Freund«, erwiderte Abban. »Aber diese Menschen waren von Geburt an khaffit .«
    »Das verstehe ich nicht«, gab Jardir zu. »Niemand wird als khaffit geboren.«
    Abban seufzte. »Du wirfst mir vor, ich könnte nur ans Geschäft denken, aber vielleicht solltest du dir ein bisschen mehr Gedanken darüber machen. Die Damaji wollen die Steine, die diese Leute brechen, und für die Arbeit brauchen sie einen Bestand an gesunden, widerstandsfähigen Menschen. Deshalb weisen sie die dama an, den khaffit die Kinder nicht wegzunehmen.«
    »Und verdammen damit die Kinder dazu, ihr Leben ebenfalls als khaffit zu verbringen«, folgerte Jardir. »Wie können ihre Eltern so etwas wollen?«
    »Eltern benehmen sich manchmal seltsam, wenn Männer auftauchen und ihre Kinder verschleppen«, erklärte Abban.
    Jardir erinnerte sich an die Tränen seiner Mutter und wie verzweifelt Abbans Mutter geschrien hatte, und er konnte nicht widersprechen. »Trotzdem«, beharrte er, »diese Männer gäben prächtige Krieger ab und ihre Frauen gute Gemahlinnen, die starke Söhne gebären. Es ist eine Verschwendung, sie so nutzlos einzusetzen.«
    Abban zuckte die Achseln. »Wenn einer von ihnen verletzt wird, fallen seine Brüder wenigstens nicht wie ein Rudel Wölfe über ihn her.«

    Nach weiteren sechs Tagesmärschen erreichten sie die Felswand, die eine Aussicht auf den Fluss gewährte, der das Dorf Baha kad’Everam mit Wasser speiste. Längs des Weges fanden sie keine khaffit -Dörfer mehr. Abban, dessen Familie mit vielen dieser Weiler Handel trieb, erklärte, der Grund dafür sei ein unterirdischer Fluss, der etliche Oasen unweit der Stadt mit Wasser versorgte, sich jedoch nicht so weit in den Osten hinein erstreckte. Die meisten dieser Siedlungen lagen südlich der Stadt, zwischen dem Wüstenspeer und den fernen Bergen im Süden. Jardir hatte noch nie etwas von einem unterirdischen Gewässer gehört, aber er vertraute darauf, dass sein Freund die Wahrheit sagte.
    Der Fluss vor ihnen verlief nicht direkt unter dem Land, sondern hatte mit der Zeit ein tiefes Tal ausgefräst, indem er sich durch zahllose Schichten aus Sandstein und Lehm grub. Tief unten konnten sie sein Bett sehen, aber aus dieser Höhe wirkte das Wasser wie ein mickeriges Bächlein.
    Sie liefen in Richtung Süden an der Felswand entlang, bis sie auf einen Pfad stießen, der ins Dorf hinunterführte; die Siedlung selbst kam erst in Sicht, als sie sich fast unmittelbar über ihr befanden. Zur Begrüßung bliesen die dal’Sharum in ihre Hörner, aber es kam keine Antwort, während sie sich an den steilen, schmalen Abstieg machten, der am Dorfplatz endete. Selbst dort, in der Ortsmitte, war keine Menschenseele zu sehen.
    Baha kad’Everam war in Terrassen angelegt, die man in die Felswand geschlagen hatte. Eine breite, ungleichmäßig geformte Treppe führte im Zickzack hinauf und bildete auf jeder Etage einen Absatz, auf dem dann die Lehmziegelhäuser errichtet waren. Im gesamten Dorf gab es keinerlei Anzeichen von Leben, und die Stoffbahnen, mit denen die Türen verhängt waren, bauschten sich träge in der Brise. Der Ort erinnerte Jardir ein einige der ältesten Viertel im Wüstenspeer; große Teile der Stadt hatte man einfach aufgegeben, als die Einwohnerzahl sank. Die alten Gebäude legten Zeugnis ab von einer Zeit, als es noch grenzenlos viele Krasianer gab.

    »Was mag hier passiert sein?«, fragte Jardir.
    »Liegt das nicht auf der Hand?«, erwiderte Abban. Jardir sah ihn neugierig an.
    »Halte den Blick nicht nur starr auf die Siedlung gerichtet, sondern schau dir auch die Landschaft an«, schlug Abban ihm vor. Jardir drehte sich um und sah, dass der Fluss nicht nur wegen der großen Höhe, aus der sie auf ihn hinabgeschaut hatten, wie ein erbärmliches Rinnsal wirkte. Bereits im ersten Drittel des tief eingeschnittenen Betts versickerte das Wasser.
    »Entweder hat es nicht genug geregnet«, mutmaßte Abban, »oder irgendwo am Oberlauf hat das Wasser einen anderen Weg genommen. Diese Veränderung führte wahrscheinlich dazu, dass die Bahavaner keine Fische mehr fangen konnten, die sie zum Überleben brauchten.«
    »Aber das erklärt nicht, wieso eine ganze Siedlung ausgestorben ist«,

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