Das Flüstern der Nacht
drängten, davon; seine mit Siegeln geschützten Hufe sprühten Funken wie Feuerwerkskörper, als sie die Bestien niedertrampelten.
Doch die Dämonen setzten die Verfolgung fort und rannten neben dem galoppierenden Pferd her. Der Tätowierte Mann schob den Bogen in die Halterung zurück, nahm einen Speer und stach auf die Horclinge ein, die nun von allen Richtungen auf sie eindrangen. Ein Dämon kam dicht an ihn heran, aber er verpasste ihm einen Fußtritt gegen den Kopf, und das Siegel an seiner Ferse schleuderte die Kreatur mit einem Lichtblitz zurück.
Und die ganze Zeit über preschte Schattentänzer in vollem Galopp weiter.
Durch die nächtliche Jagd hatten sich ihre Kräfte aufgefrischt, und Ross und Reiter fühlten sich ausgeruht und hellwach, als im Morgengrauen Flussbrücke in Sicht kam, obwohl sie während der gesamten Nacht keine einzige Rast eingelegt hatten.
Seit der Zerstörung von Flussbrücke waren fünfzehn Jahre vergangen. Damals hatte das Dorf zu Miln gehört, aber Rhinebeck verlangte einen Anteil der Brückenzölle und hatte versucht, die Ortschaft am Südufer des Grenzflusses wiederaufzubauen.
Der Tätowierte Mann erinnerte sich an die Audienz, als Ragen Herzog Euchor von Rhinebecks Plan in Kenntnis gesetzt hatte. Der Herzog war außer sich gewesen vor Zorn und schien eher bereit zu sein, Fort Angiers niederzubrennen als Rhinebeck zu erlauben, seine Brücke mit einer Maut zu belegen.
Und deshalb entstanden zwei Handelsstädte, eine an jeder Seite des Flusses, beide nannten sich Flussbrücke und lagen miteinander im Streit. Es gab Garnisonen für die herzoglichen Gardisten, und berittene Reisende mussten an beiden Flussufern eine Maut entrichten. Wer sich weigerte zu zahlen, konnte sich mitsamt seinen
Waren entweder mit einem Floß übersetzen lassen - was oft mehr kostete als die Mautgebühr - oder schwimmen.
Die beiden Siedlungen Flussbrücke waren die einzigen Dörfer in ganz Thesa, die von Wällen umgeben waren. Auf der Milneser Seite bestanden sie aus Steinen und Mörtel, die Angieraner hatten wuchtige, geteerte Balken zu einer Palisade verbunden. Beide Wälle reichten bis dicht an den Fluss heran, und die Wachen, die auf den Mauerkronen patrouillierten, riefen sich gegenseitig über das Wasser Flüche zu.
Die Wachen auf der angieranischen Seite hatten gerade das Tor geöffnet, um den Morgen zu begrüßen, da ritt der Tätowierte Mann auch schon hindurch. Seine Hände steckten in Handschuhen, und um sein Gesicht zu verbergen, hatte er die Kapuze tief in die Stirn gezogen. Den Wachen schien das merkwürdig vorzukommen, aber er gab sich nicht die Mühe, seine äußere Erscheinung zu erklären, sondern hielt lediglich Rhinebecks Siegel, das ihn als seinen Gesandten auswies, in die Höhe, ohne sein zügiges Tempo zu verlangsamen. Herzogliche Kuriere genossen auf beiden Seiten des Flusses freie Passage. Die Wachen murrten wegen seiner Unhöflichkeit, behelligten ihn jedoch nicht.
Nebel hing in der Morgenluft, und die meisten Dorfbewohner wärmten noch ihre Hafergrütze auf, als der Tätowierte Mann unbemerkt durch ihre Straßen ritt. Dadurch vermied er Unannehmlichkeiten. Es gab Menschen, die ihn wegen seiner Tätowierungen mieden als sei er ein Horcling, und andere fielen vor ihm auf die Knie und nannten ihn Erlöser. Er wusste wirklich nicht, was schlimmer war.
Von Flussbrücke aus führte die Straße nach Miln in gerader Richtung nach Norden. Im Durchschnitt benötigte ein Kurier für diese Strecke zwei Wochen. Sein Mentor Ragen hatte es in kürzerer Zeit geschafft, er brauchte lediglich elf Tage. Mit Schattentänzer und ohne Furcht vor der Dunkelheit war der Tätowierte Mann nur sechs Tage lang unterwegs, wobei er hinter sich eine Spur aus
zu Asche verbrannten Dämonen zurückließ. Mitten in der Nacht sprengte er im Galopp durch Hardens Hain, das einen Tagesritt südlich von Miln lag, und es waren immer noch ein paar Stunden bis zum Morgengrauen, als Fort Miln am Horizont auftauchte.
In gewisser Weise war er hier genauso zu Hause wie in Tibbets Bach, und der Anblick der Gebirgsstadt rief in dem Tätowierten Mann überwältigende Gefühle hervor, obwohl er sich mehr als einmal geschworen hatte, nie wieder hierher zurückzukehren. Zu abgelenkt, um kämpfen zu können, legte er einen Bannzirkel aus und schlug sein Lager auf, wo er den Morgen abwartete. Inzwischen versuchte er, sich zu erinnern, was er über Herzog Euchor wusste.
Er hatte Euchor nur ein einziges Mal getroffen, als er
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