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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Umhang zusammen und verwahrte ihn in seinem Gewand, bevor er oder einer seiner Ratgeber anfingen, dieses Geschenk zu studieren und darüber alles andere vergaßen.
    »Ich danke dir, Meisterin Leesha, Tochter des Erny, Kräutersammlerin vom Tal des Erlösers«, sagte er mit einer weiteren Verbeugung. »Mit deinem Geschenk erweist du mir eine große Ehre.«
    Leesha lächelte und kehrte wieder an ihren Platz zurück. Eine Zeit lang taten die Nordländer so, als interessierten sie sich nur für ihren Tee, während sie miteinander tuschelten. Jardir gestattete es ihnen, sich zu beraten, und richtete das Wort an Abban: »Erzähle mir von dem rothaarigen Jungen, der sich wie ein khaffit kleidet.«
    Abban verneigte sich. »Er ist das, was die Nordländer einen ›Jongleur‹ nennen, Erlöser. Es sind umherziehende Geschichtenerzähler und Musikanten, die sich in auffallende Farben kleiden, um sich als Jongleure zu erkennen zu geben. Dieser Beruf genießt ein hohes Ansehen, und die Menschen, die ihn ausüben, sind oftmals hochgeschätzte Künstler, denen man Genialität und Inspiration nachsagt.«
    Jardir nickte und verarbeitete diese Information. »Mit seiner Musik übt er Macht über die alagai aus. Er konnte sie lenken. Was hat es damit auf sich?«
    Abban zuckte die Achseln. »In den Geschichten über den Tätowierten Mann kommt solch ein Musikant vor, der alagai mit
seiner Magie verhext, aber über welche Kräfte er verfügt, weiß ich auch nicht. Ich selbst halte so etwas für äußerst ungewöhnlich.«

    Rojer beobachtete mit wachsendem Unbehagen, wie die Krasianer verstohlene Blicke in seine Richtung warfen. Sie redeten eindeutig über ihn, doch obwohl er mit seinem geschulten Ohr bereits begonnen hatte, die Laute und Muster ihrer überraschend wohlklingenden Sprache zu unterscheiden, war er noch weit davon entfernt, den Sinn der Worte zu verstehen.
    Die Krasianer ängstigten und faszinierten ihn zugleich, wie es ihm im Grunde auch mit dem Tätowierten Mann ging. Rojer war nicht nur ein Fiedler, sondern auch ein Geschichtenerzähler, und er hatte viele Geschichten über Krasia zusammengesponnen, obwohl er noch nie jemandem aus diesem Land begegnet war. Tausend Fragen wirbelten in seinem Kopf herum, doch sie verhedderten sich, bevor sie seine Zunge erreichten, weil diese Männer so gar nicht den exotischen Prinzen aus seinen Erzählungen glichen. Rojer war nach Rizon geritten und hatte gesehen, was sie angerichtet hatten. Kultiviert mochten diese Leute ja sein, aber sie waren auch Mörder, Vergewaltiger und Banditen.
    Wieder schaute Jardir zu ihm hin, und bevor Rojer sich abwenden konnte, begegneten sich ihre Blicke. Rojer zuckte zusammen und fühlte sich wie ein in die Enge getriebener Hase.
    »Verzeihung, wir waren unhöflich«, entschuldigte sich Jardir mit einem Neigen des Kopfes.
    Rojer gab vor, sich die Brust zu kratzen, doch es war nur ein Vorwand, um seinen Talisman zu berühren. Er zog Kraft aus dem Medaillon und aus der beruhigenden Anwesenheit von Gared, der neben ihm saß. Nicht zum ersten Mal war Rojer dankbar, dass der riesige Holzfäller geschworen hatte, ihn zu beschützen.

    »Das macht nichts«, erwiderte er und nickte.
    »In meinem Volk gibt es keine Jongleure«, fuhr Jardir fort. »Wir sind neugierig, was deinen Beruf angeht.«
    »Ihr habt keine Musiker?« Rojer war entsetzt.
    »Doch, aber in Krasia dient Musik nur dem einzigen Zweck, Everam zu preisen, und nicht dazu, Dämonen auf dem Schlachtfeld zu verhexen. Verrate mir, ist diese Macht im Norden weit verbreitet?«
    Rojer lachte schrill. »Ganz und gar nicht.« Er stürzte seinen Tee hinunter und wünschte sich, die Tasse enthielte ein stärkeres Getränk. »Ich kann sie nicht einmal unterrichten. Eigentlich weiß ich selbst nicht, wie mir das gelingt.«
    »Vielleicht spricht Everam zu dir«, überlegte Jardir. »Vielleicht hat er deine Blutlinie mit dieser Gabe gesegnet. Hat einer deiner Söhne vielleicht Anzeichen gezeigt, dass er dieses Talent geerbt hat?«
    Rojer lachte wieder. »Söhne? Ich bin nicht mal verheiratet.«
    Das schien die Krasianer zu schockieren. »Ein Mann mit deinen Gaben sollte viele Bräute haben, die ihm Söhne gebären«, stellte Jardir fest.
    Rojer gluckste vor sich hin und hob seine Tasse, als wolle er ihnen zuprosten. »Dem stimme ich zu. Ich sollte viele Bräute haben.«
    Leesha schnaubte durch die Nase. »Ich würde gern sehen, wie du mit einer Einzigen fertigwirst.« An beiden Seiten des Tisches amüsierte man sich

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