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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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auf Rojers Kosten. Schweigend wartete er ab, bis das Gelächter verstummte; dass man sich im Tal über ihn lustig machte, war nichts Neues, trotzdem spürte er, wie seine Wangen vor Verlegenheit brannten. Er schaute zu Jardir und merkte, dass der krasianische Anführer als Einziger nicht mitlachte.
    »Darf ich dir eine persönliche Frage stellen, Sohn des Jessum?«, wandte sich Jardir an ihn.
    Rojer befingerte das Medaillon mit dem Namen seines Vaters, aber er nickte.

    »Woher hast du diese Narbe?« Jardir zeigte auf die verstümmelte Hand, die Rojer angehoben hatte; es fehlten zwei Finger und ein Teil des Handtellers. »Sie sieht alt aus, zu alt, um von einem Kampf als erwachsener Mann mit den alagai zu stammen; und sie behindert dich kaum, als hättest du dich seit vielen Jahren daran gewöhnt.«
    Rojer lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Sein Blick flackerte zu dem fetten Handelsprinzen in den farbenfrohen Seidengewändern; seine Kameraden behandelten ihn mit Verachtung, weil er ein Krüppel war. Er fragte sich, ob die Krasianer ihn für einen nicht vollwertigen Mann hielten, weil ihm die Hälfte einer Hand fehlte.
    Alle anderen hatten ihre Gespräche unterbrochen und warteten gespannt auf Rojers Antwort. Bereits vorher war der Wortwechsel zwischen dem Jongleur und dem Anführer der Krasianer mit halbem Ohr verfolgt worden, nun jedoch gaffte man die beiden unverhohlen an.
    Rojer kniff erbittert die Lippen zusammen. Sind die Talbewohner denn so anders?, fragte er sich. Keiner von ihnen, nicht einmal Leesha, hatte je ein Wort über seine Verstümmelung verloren und jeder tat so, als gäbe es sie überhaupt nicht; trotzdem starrten sie darauf, wenn sie glaubten, er würde es nicht merken.
    Er macht aus seiner Neugier wenigstens keinen Hehl, dachte Rojer mit Blick auf Jardir. Und es interessiert mich einen Haufen Horclingsscheiße, was er von mir denkt.
    »Als ich drei Jahre alt war«, begann er, »durchbrachen Dämonen unsere Siegel. Mein Vater stellte sich ihnen mit einem eisernen Schürhaken entgegen, während meine Mutter mit mir flüchtete. Ein Flammendämon sprang auf ihren Rücken, biss mir ein Stück von der Hand ab und schlug seine Zähne in ihre Schulter.«
    »Wie hast du überlebt?«, wollte Jardir wissen. »Hat dein Vater dich gerettet?«

    Rojer schüttelte den Kopf. »In diesem Moment war mein Vater bereits tot. Meine Mutter tötete den Flammendämon und schob mich in ein Fluchtloch.«
    Am Tisch wurden leise Rufe laut, und sogar Jardir riss die Augen weit auf.
    »Deine Mutter hat einen Flammendämon zur Strecke gebracht?«, vergewisserte er sich.
    Rojer nickte. »Sie zerrte ihn von mir weg und ertränkte ihn in einem Bottich voll Wasser. Das Wasser fing an zu kochen, und als die Bestie endlich aufhörte zu zappeln, waren ihre Arme knallrot und mit Brandblasen übersät.«
    »Oh, Rojer, das ist ja entsetzlich!«, stöhnte Leesha. »Das hast du mir nie erzählt!«
    Rojer zuckte die Achseln. »Du hast mich ja nie gefragt. Das ist das erste Mal, dass mich jemand auf meine Hand anspricht. Jeder sieht darüber hinweg, du doch auch.«
    »Ich dachte immer, du wolltest nicht darüber reden«, erwiderte Leesha. »Ich nahm an, es sei dir vielleicht peinlich, wenn man die Aufmerksamkeit auf deine …«
    »Verstümmelung?«, ergänzte Rojer, verärgert über ihren mitleidigen Ton. »Du wolltest mich nicht auf meine Verstümmelung aufmerksam machen?«
    Mit wütender Miene sprang Jardir auf die Füße. Jeder zu beiden Seiten der Tafel spannte sich an, bereit zum Kampf oder zur Flucht.
    »Das ist eine alagai -Narbe!«, brüllte er, griff über den Tisch, packte Rojers Hand und riss sie hoch, damit alle sie sehen konnten. »Möge Nie jeden holen, der in Mitleid auf dich herabsieht; dies ist ein Zeichen der Ehre! Narben beweisen, dass wir uns gegen die alagai wehren! Und selbst Nie die Stirn bieten! Unsere Wundmale zeigen Ihr, dass wir in den Rachen Ihres Abgrunds geschaut und hineingespuckt haben. Hasik!« Mit gebieterischer Geste deutete Jardir auf den kräftigsten seiner Krieger. Auf ein Zeichen hin stand er auf, öffnete sein gepanzertes Gewand und
entblößte eine sichelförmige Bissspur, die sich über seinen halben Oberkörper zog.
    »Lehmdämon«, erklärte er mit breitem Akzent. »Groß«, fügte er hinzu, die Arme ausbreitend.
    Jardir wandte sich Gared zu und kniff herausfordernd die Augen zusammen.
    »Nicht schlecht«, grunzte Gared. »Aber ich schätze, ich kann das überbieten.« Er streifte das Hemd

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