Das Flüstern der Nacht
Wahnsinn lebend zu überstehen, werden mich noch dringend brauchen.«
Auch Mack Weide schüttelte ablehnend den Kopf. »Ich bin doch nicht so dumm, vor die Siegel zu treten«, meinte er. »Auf meinem
Hof habe ich Familie und Tiere, die auf mich angewiesen sind. Ich bin nicht hierhergekommen, um mich vom Horc holen zu lassen.« Er rückte nach hinten, und aus dem Kreis um Jeph Strohballen sowie aus den Reihen seiner eigenen Leute erklang unzufriedenes Gebrüll.
»Lass uns einen neuen Sprecher bestimmen, wenn dieser hier keinen Mumm hat!«, schrie jemand dem Tätowierten Mann zu.
»Warum sollte ich?«, brüllte der zurück. »Keiner von euch hat den Mumm gehabt, für Renna Gerber einzustehen!«
»Das ist nicht wahr!«, schrie Renna, und überrascht drehte der Tätowierte Mann sich zu ihr um. Mit resoluter Miene sah sie ihn an. »Vor nicht einmal fünf Nächten hat Jeph Strohballen mich vor einem Flammendämon beschützt!«
Alle Augen richteten sich auf Jeph, der unter dem wütenden Starren der Leute in sich zusammenzusinken schien. Der Tätowierte Mann fühlte sich, als hätte Renna ihn ins Gesicht geschlagen, aber jetzt wurde sein Vater auf die Probe gestellt, und er wartete begieriger auf das Ergebnis als jeder andere.
»Ist das wahr, Strohballen?«, fragte er. »Hast du auf deinem Hof gegen einen Flammendämon gekämpft?«
Jeph hielt eine lange Zeit die Lider gesenkt, dann sah er zu seinen Kindern hin. Aus ihrem Anblick schien er Kraft zu schöpfen und seine Schultern strafften sich. »Ay.«
Der Tätowierte Mann ließ seinen Blick auf den Sippen Strohballen und Weide ruhen, Bauern und Schafzüchter aus den verschiedensten Ecken von Tibbets Bach. »Wählt Jeph Strohballen vor Sonnenuntergang zu eurem Sprecher, und er darf sich einen Speer nehmen.«
Sofort erhob sich ein zustimmendes Gebrüll; Norine gab Jeph einen Schubs, um ihn in Bewegung zu setzen. Schließlich wandte sich der Tätowierte Mann an Raddock Advokat.
»Es ist überhaupt nicht bewiesen, ob diese Speere auch wirklich Dämonen töten!«, brüllte Raddock.
Der Tätowierte Mann zuckte die Achseln. »Wenn du mir nicht vertraust, dann bleib, wo du bist.«
»Ich kenne dich nicht, Kurier«, fuhr Raddock fort. »Ich habe keine Ahnung, woher du kommst oder woran du glaubst. Ich weiß nur, was du sagst, und du verweigerst der Fischer-Sippe ihre Genugtuung!« Viele aus seiner Familie nickten und gaben beifällige Laute von sich.
»Hab also Verständnis dafür«, fuhr Raddock fort, während er auf den Platz hinausstolzierte, wobei er nicht nur seine Verwandten, sondern auch die Bewohner der anderen Weiler ansah, »wenn ich mich nicht blind auf dein Wort verlasse.«
Der Tätowierte Mann nickte. »Ich verstehe dich gut.« Er deutete auf die Nebel, die zu Füßen des Sprechers aus dem Boden krochen. »Und jetzt rate ich dir, entweder einen Speer in die Hand zu nehmen oder hinter deine Siegel zurückzulaufen.«
Raddock Advokat gab ein höchst obszönes Geräusch von sich und hoppelte zu den Siegeln seiner Sippschaft zurück, so schnell seine alten Beine ihn trugen.
Nun widmete sich der Tätowierte Mann den Sprechern, die sich vorgewagt hatten. Sie hielten die Speere unbeholfen in den Händen, denn sie waren an den Umgang mit Werkzeug gewöhnt und konnten mit einer Waffe nicht viel anfangen; trotzdem zeigten sie überraschend wenig Angst. Bis auf Jeph, der weiß war wie die Schuppen eines Schneedämons, schienen sie relativ gefasst zu sein. Sprecher zweifelten nicht an einmal getroffenen Entscheidungen.
»Jetzt sind die Dämonen am verwundbarsten, wenn sie erst halb ausgeformt sind«, erklärte der Tätowierte Mann. »Wenn ihr schnell seid …«
Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da stieß Rusco einen Grunzer aus und marschierte zu einem sich verfestigenden Baumdämon. Der Tätowierte Mann erinnerte sich an die alljährlichen Feiern zur Sommersonnenwende, als er noch ein Junge gewesen
war. Rusco briet ganze Schweine an riesigen Spießen und bezahlte Kinder dafür, dass sie sie über dem Feuer drehten. Jetzt hob der alte Vielfraß seinen Speer und stieß ihn dem Horcling mit derselben Gewandtheit und Gelassenheit in die Brust, mit der er diese Schweine aufzuspießen pflegte.
Die Siegel an der Speerspitze flammten auf, und der Horcling fing an zu kreischen. Die Leute brüllten, als die Magie wie ein gegabelter Blitz durch den halbtransparenten Dämonenkörper zuckte. Rusco hielt den Speer fest, während der Dämon um sich schlug; magische Energie
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