Das Flüstern der Nacht
restlichen Dämonen wurde man schnell fertig. Die Sprecher spähten aufmerksam um sich und hielten nun auch die Speere ganz anders als noch kurz zuvor.
»Seit zwanzig Jahren, als ich mein Brennholz noch selbst gehackt habe, habe ich mich nicht mehr so kräftig gefühlt«, erklärte Selia. Die anderen brummten zustimmend.
Der Tätowierte Mann schaute auf die Menge. »Eure Ältesten haben es geschafft!«, rief er. »Denkt daran, wenn das nächste Mal ein Dämon in eurem Hof auftaucht!«
»Der Platz ist völlig frei von Dämonen«, bemerkte Rusco. »Wir haben unseren Teil der Abmachung eingehalten, also ist nun deine Bezahlung fällig.«
Der Tätowierte Mann verbeugte sich. »Jetzt gleich?«
Rusco nickte. »In meinem Hinterzimmer liegt ein Stapel sauberes Velinpapier, das wir füllen können.«
»Soll mir recht sein«, erwiderte der Tätowierte Mann. Rusco machte einen Diener und deutete auf seinen Laden. Die anderen Sprecher und der Tätowierte Mann gingen schon los, Rusco hingegen drehte sich um und sprach zu den versammelten Menschen:
»Ab morgen früh«, rief er, »nehme ich in meinem Gemischtwarenladen Bestellungen für Speere mit Siegeln entgegen! Außerdem stelle ich Leute ein, die eine ruhige Hand zum Bannzeichnen haben, um diese Speere zu produzieren! Wer zuerst kommt, wird zuerst bedient!« Bei der Neuigkeit ging ein Raunen durch die Menge.
Der Tätowierte Mann schüttelte den Kopf. Er wusste, dass Ruscos Geschäfte blühen würden. Der alte Vielfraß fand immer einen Weg, den Leuten etwas zu verkaufen, was sie ohne weiteres selbst hätten herstellen können.
27
Aus der Deckung
333 NR - Sommer
R enna saß allein in einer Ecke, als Arlen in Ruscos Hinterzimmer dem Stadtrat das Zeichnen von Kampfsiegeln beibrachte. Dasy und Catrin eilten mit frisch gebrühtem Kaffee hin und her. Die beiden beäugten Renna voller Argwohn, als erwarteten sie, dass sie plötzlich aufspringen und sie mit Harls Messer angreifen würde, das neben ihr auf dem Tisch lag. Sie hatte die Klinge bereits mit Siegeln bemalt und war nun dabei, sie mit einem von Arlens feinen Ziselierwerkzeugen langsam in das Metall einzuritzen. Einmal ging Arlen zu ihr, um sich ihre Arbeit anzusehen, doch sie kehrte ihm den Rücken zu. Sie brauchte niemanden mehr um Hilfe zu bitten.
Als die Sprecher fertig waren, kroch das Licht der Morgendämmerung durch die Spalten in den Fensterläden; mit einer Rolle Velinpapier in der Hand standen sie auf.
Arlen unterhielt sich noch kurz mit Rusco, ehe er zu Renna kam. »Geht es dir gut?«
Renna nickte und schluckte ein Gähnen herunter. »Ich bin nur müde.«
Arlen stülpte sich seine Kapuze wieder über. »Vielleicht kannst du auf Jephs Hof ein paar Stunden schlafen, während Rusco den Proviant bereitstellt, den wir für unterwegs benötigen werden.« Er
schnaubte durch die Nase. »Der alte Gauner hatte die Frechheit, dafür Geld zu verlangen, und das, nachdem ich es ihm ermöglicht habe, ein Vermögen zu verdienen.«
»Hast du etwas anderes erwartet?«, gab Renna lakonisch zurück.
»Du verlässt uns?«, fragte Selia, als sie auf die Tür zusteuerten. »Zuerst stellst du Tibbets Bach auf den Kopf, und dann reitest du los, ohne dich davon zu überzeugen, wie die Dinge sich entwickeln?«
»Als ich ankam, stand die Stadt bereits auf dem Kopf«, versetzte Arlen. »Schätze, ich habe die Dinge nur wieder ins rechte Lot gerückt.«
Selia nickte. »Mag schon sein. Was gibt es Neues aus den Freien Städten? Versieht man dort überall die Waffen mit Siegeln und macht Jagd auf Horclinge?«
»Was sich in den Freien Städten abspielt, braucht dich vorerst nicht zu kümmern«, erwiderte Arlen. »Wenn Tibbets Bach von Dämonen befreit ist, kannst du dein Augenmerk auf die weite Welt richten.«
Jeorje Südwächter klopfte mit seinem neuen Speer auf den Boden. »Bestelle zuerst dein eigenes Feld, ehe du einen Blick auf das deines Nachbarn wirfst«, zitierte er einen beliebten Vers aus dem Kanon.
Arlen wandte sich an Rusco: »Ich will, dass Kopien angefertigt und zu den Sprechern von Sonnige Weide gebracht werden.«
»Nun, das wird nicht billig«, setzte Rusco an. »Allein das Velinpapier dürfte an die zwanzig Kredits kosten, hinzu kommen die Ausgaben für das Schreibe …«
Arlen schnitt ihm das Wort ab, indem er eine schwere Goldmünze hochhielt. Als Rusco erkannte, wie groß und dick sie war, bekam er Stielaugen. »Ich werde erfahren, ob sie die Siegel erhalten haben oder nicht«, warnte er, als
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