Das Flüstern der Nacht
er hinuntersprang, drehte sie sich zur Seite, doch sie hielt den Griff des Messers fest, das in dem höckerigen Panzer des ersten Dämons steckte. Der Horcling fiel tot um, und die Klinge rutschte ihr aus den Fingern.
»Dämonenscheiße!«, fluchte sie. Geistesgegenwärtig ließ sie sich auf den Rücken fallen und winkelte die Beine an, wie Arlen es ihr gezeigt hatte. Sie packte die Arme des Baumdämons, spreizte sie und trat ihm gleichzeitig in den Bauch. Der Horcling landete direkt vor Arlen, der seinen Schädel zerquetschte.
»Wenn ich meine Fingerknöchel bemalen dürfte, könnte ich das selbst machen«, beschwerte sich Renna.
»Es ist nicht nötig, dass du deine Haut mit Siegeln bedeckst«, entgegnete er. »Vorläufig reicht dein Messer völlig aus.«
Renna stapfte zu dem Baumdämon und zerrte ihr Messer aus dem Kadaver. Dann hielt sie es Arlen unter die Nase. »Das Messer hatte ich gar nicht mehr.«
»Und du bist auch ohne Siegel wunderbar zurechtgekommen.«
»Aber es ist nur gutgegangen, weil du nicht mehr mit dem anderen gekämpft hast«, fand sie. »Ich will ja gar keine Nadel benutzen, nur einen Pinsel und ein bisschen Schwarzstängelsaft.«
Arlen sah sie ernst an. »Die Wirkung ist anders, wenn die Siegel auf deiner Haut sind, Ren. Dann ist sie für dich so stark, dass du dich in ihr verlieren kannst. Noch lange, nachdem ich mit dem Tätowieren angefangen hatte, habe ich mich orientierungslos gefühlt, und ich bin immer noch nicht ich selbst. Ich möchte nicht, dass dir das Gleiche passiert. Dazu bedeutest du mir viel zu viel.«
»Wirklich?«, fragte Renna.
»Es ist schön, dass ich mich mal mit jemand anders unterhalten kann außer mit Schattentänzer«, fuhr er fort, ohne ihr jäh erwachtes Interesse zu bemerken. »Manchmal fühle ich mich … einsam.«
»Einsam«, wiederholte Renna. »Ich weiß, wie das ist. In Einsamkeit kann man sich auch verlieren. Die Welt ist voller Dinge, in denen man untergehen kann. Das bedeutet aber nicht, dass man sich sein Leben lang hinter Siegeln verstecken muss.«
Arlen sah sie eine Weile an. Schließlich zuckte er mit den Schultern. »Ich kann dir nicht vorschreiben, was du tun oder lassen sollst, Ren. Wenn du nicht auf mich hören, sondern deine Hände bemalen willst, dann liegt die Entscheidung bei dir.«
Der Horcling-Prinz beobachtete das Werben noch ein paar Minuten länger; die menschlichen Paarungsrituale belustigten ihn. Es war offenkundig, dass dieser eine, auf den es ihm ankam, kaum etwas von Magie verstand, die Anwesenheit des Seelendämons nicht einmal wahrnahm und das Ausmaß seiner eigenen Kräfte nicht annähernd einzuschätzen wusste. Er hatte das Potenzial, Massen zu vereinen und hinter sich zu scharen, aber hier draußen in der Wildnis stellte er keine Bedrohung dar und konnte gefahrlos ausgekundschaftet werden.
Der Dämon löste sich von den vordergründigen Gedanken des Weibchens und tauchte tiefer hinein in ihren Geist, auf der Suche nach Informationen über diesen einen, aber er fand kaum etwas von Wert. Also legte er eine Frage auf ihre Lippen.
»Wie kam es dazu, dass du die verlorengegangenen Siegel zurückgebracht hast?«, erkundigte sich Renna zu ihrer eigenen Überraschung. Sie wusste, dass Arlen nicht darüber sprechen wollte, was ihm nach seinem Verschwinden aus Tibbets Bach widerfahren war. Er hasste jede Anspielung darauf.
»Das sagte ich doch bereits. Ich habe sie in einer Ruine entdeckt«, entgegnete er unwirsch.
»Welche Ruine? Wo liegt sie?«, hakte sie nach.
»Was spielt das für eine Rolle?«, fauchte er. »Das ist keine Jongleursaga.«
Renna schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen. Ihr war seltsam zumute, als hätten ihre Gedanken sich verselbstständigt. »Entschuldige. Ich weiß auch nicht, warum ich mich auf einmal so brennend dafür interessiere. Ist ja auch egal. Ich wollte dich nicht aushorchen.«
Arlen gab einen Grunzer von sich und setzte sich in Marsch. Er ging zu der Burg, die sie im Laufe der letzten Wochen mit Siegeln geschützt hatten. Während dieser Zeit hatte er Renna beigebracht, Dämonen zu jagen.
Der Horcling-Prinz zischte böse, als dieser eine die Antwort verweigerte. Das Beste wäre es, beide zu töten, doch damit hatte es keine Eile. Die Anzahl der Siegel um ihren Unterschlupf deutete darauf hin, dass sie ihn so bald nicht verlassen würden. Also blieben ihm noch ein paar Zyklen Zeit, seine Beute zu studieren.
Sobald die Menschen die Siegelbarriere überquert hatten, war
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