Das Flüstern der Nacht
Welle von Übelkeit begleitet. »Wonda, bring mir meinen Kräuterbeutel.« Sie würde leichter mit ihrer Mutter fertigwerden, nachdem sie ein Mittel eingenommen hatte, das das Strömen des Blutes erleichterte und die Kopfschmerzen linderte.
Bald nachdem die unteren Räume hergerichtet waren und man Leeshas Freunde in ihre neuen Quartiere geleitet hatte, stattete Jardir ihr einen Besuch ab. Sie fragte sich, ob er absichtlich damit gewartet hatte, bis er sie allein antreffen würde.
Er blieb in der Tür stehen und verneigte sich, trat jedoch nicht ein. »Ich möchte deine Ehre nicht gefährden. Wäre es dir lieber, wenn deine Mutter dabei wäre, um zu verbürgen, dass Anstand und Sitte gewahrt bleiben?«
Leesha schnaubte unfein durch die Nase. »Eher würde ich einen Horcling hereinbitten! Ich denke, ich kann dich im Zaum halten, falls du eine Hand dorthin legst, wo sie nicht hingehört.«
Jardir lachte, verbeugte sich noch einmal und kam ins Zimmer. »Daran zweifle ich nicht. Ich muss mich für die Schäbigkeit deiner Unterkunft entschuldigen. Ich wünschte, ich hätte einen Palast, der deiner Macht und Schönheit würdig ist, aber leider ist diese elende Behausung das Beste, was Everams Füllhorn zurzeit zu bieten hat.«
Leesha wollte erwidern, dass sie mit Ausnahme von Herzog Rhinebecks Palast noch nie ein prächtigeres Haus gesehen hatte; doch sie verbiss sich das Kompliment, denn die Krasianer hatten diese Villa gestohlen und verdienten es nicht, für die Schönheit der Architektur und der Einrichtung gelobt zu werden.
»Warum hast du mir verschwiegen, dass du bereits verheiratet bist?«, fragte sie ihn unverblümt.
Jardir zuckte zusammen, und an seiner Miene merkte sie, dass er aufrichtig überrascht war. Er verneigte sich tief. »Ich bitte um Vergebung, Meisterin. Ich nahm an, du wüsstest Bescheid. Deine Mutter riet mir, nicht darüber zu sprechen, weil deine Eifersucht genauso ausgeprägt sei wie deine Schönheit. Und wenn dem so ist, dann muss deine Eifersucht in der Tat keine Grenzen kennen.«
Bei der Erwähnung ihrer Mutter spürte Leesha sofort wieder das schmerzhafte Pochen in ihrer Schläfe; trotzdem konnte sie nicht anders als sich über das Kompliment zu freuen, auch wenn es maßlos übertrieben war.
»Dein Antrag war sehr schmeichelhaft«, räumte sie ein. »Beim Schöpfer, ich spielte sogar mit dem Gedanken, ihn anzunehmen! Aber es passt mir nicht, eine unter vielen zu sein, Ahmann. So etwas kennt man nicht im Norden. Hier besteht eine Ehe immer nur aus zwei Menschen, nicht aus zwei Dutzend.«
»Ich kann nicht ändern, was bereits geschehen ist«, entgegnete Jardir, »aber ich bitte dich trotzdem, keinen übereilten Entschluss zu fassen. Ich würde dich zu meiner Ersten Gemahlin im Nordland machen, und du hättest das Recht, mir jede weitere Heirat zu verbieten. Wenn du wünschst, dass ich mich mit keiner anderen Frau aus den Grünen Ländern vermähle, dann soll es so sein. Denke sorgfältig darüber nach. Wenn du mir Söhne schenkst, wird meinen Leuten gar nichts anderes übrigbleiben, als den Stamm der Talbewohner anzuerkennen.«
Leesha legte die Stirn in Falten, aber sie war viel zu klug, um ihn einfach abzuweisen. Immerhin befanden sie sich in seiner Gewalt und waren auf sein Wohlwollen angewiesen. Wieder bereute sie ihre überstürzte Entscheidung, nach Rizon aufzubrechen.
»Bald senkt sich die Nacht herab«, wechselte Jardir das Thema, als sie nicht antwortete. »Ich bin gekommen, um dich und deine Leibwächter zum alagai’sharak einzuladen.«
Leesha sah ihn lange an, während sie darüber nachdachte.
»Unser Kampf gegen die alagai ist der gemeinsame Boden, auf dem unsere beiden Völker stehen«, führte Jardir aus. »Es wird meinen Kriegern leichter fallen, euch anzuerkennen, wenn sie sehen, dass wir … Geschwister in der Nacht sind.«
Leesha nickte. »Na schön. Aber meine Eltern bleiben hier.«
»Natürlich«, bekräftigte Jardir. »Ich schwöre bei Everam, dass sie hier in Sicherheit sind.«
»Gibt es einen Grund, zu befürchten, ihnen könnte etwas zustoßen?«, hakte Leesha nach, wobei sie an Damaji Ichachs mörderische Blicke dachte.
Jardir verneigte sich. »Auf gar keinen Fall. Ich sprach nur das Offensichtliche aus, meine Bemerkung war völlig überflüssig. Vergib mir.«
Leesha war beeindruckt, mit welcher Straffheit und Disziplin die krasianischen Krieger sich zum Appell formierten, als Jardir Leesha und die anderen zum alagai’sharak führte. Neben ihr
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