Das Flüstern der Nacht
war in die weiße Robe eines dama gekleidet.
»Der älteste Sohn meines Gebieters, Jayan«, erklärte Abban und zeigte auf den Krieger. »Und sein Zweitältester, Asome.« Er wies auf den Geistlichen.
Jardir marschierte zu den Männern, und die Macht, die er ausstrahlte, war beinahe greifbar. Die Krieger betrachteten ihn voller Ehrfurcht, und selbst in den Augen seiner Söhne leuchtete ein fanatischer Glanz. Zu ihrer Überraschung stellte Leesha fest, dass sie nach nur zwei Wochen Unterricht das meiste von dem verstand, was er sagte.
» Sharum des Wüstenspeers!«, rief Jardir. »Heute Nacht wird uns die Ehre erwiesen, Seite an Seite mit Sharum vom Stamm der Talbewohner den alagai’sharak zu kämpfen. Wir alle sind Brüder in der Nacht!« Mit einer weit ausholenden Geste deutete er auf Leeshas Gruppe, und ein schockiertes Murmeln lief durch die krasianischen Krieger.
»Sie sollen kämpfen?«, fragte Jayan entgeistert.
»Vater, im Evejah steht ausdrücklich geschrieben, dass Frauen nicht am sharak teilnehmen dürfen!«, geiferte Asome.
»Der Evejah wurde vom Erlöser geschrieben«, donnerte Jardir. »Nun bin ich der Erlöser, und ich bestimme, wie der sharak gekämpft wird!«
Jayan schüttelte vehement den Kopf. »Ich werde nicht an der Seite einer Frau kämpfen!«
Jardir stürzte sich auf ihn wie ein Löwe; seine Hand schnellte vor und packte seinen Sohn bei der Kehle. Jayan rang nach Luft und zerrte am Arm seines Vaters, aber sein Griff glich einer Eisenklammer, und er konnte ihn nicht lösen. Er verlor den Boden unter den Füßen und seine Zehen scharrten kaum noch im Staub, als Jardir seinen Arm zur vollen Länge ausstreckte.
Leesha stieß einen verhaltenen Schrei aus und wollte vorstürmen, doch Abban versperrte ihr mit seiner Krücke den Weg, wobei er überraschende Stärke zeigte.
»Sei keine Närrin!«, flüsterte er in scharfem Ton. Der eindringliche Klang seiner Stimme ließ sie stutzen und sie wich zurück, um hilflos mitanzusehen, wie Jardir seinen Sohn langsam erdrosselte. Erleichtert atmete sie auf, als der junge Bursche dann zu Boden
geschleudert wurde, wo er röchelnd und strampelnd, aber sehr lebendig, liegen blieb.
»Was für ein Tier greift seinen eigenen Sohn an?«, fragte Leesha bestürzt.
Abban wollte etwas entgegnen, aber Gared fiel ihm ins Wort. »Ihm blieb doch gar nichts anderes übrig. Keiner würde einem Mann in die Nacht folgen, der nicht mal seinen eigenen Sohn im Zaum halten kann.«
»Ich brauche keinen Rat von einem Schläger«, kanzelte Leesha ihn schnippisch ab.
»Aber er hat Recht«, bekräftigte Wonda zu Leeshas Entsetzen. »Ich habe nicht verstanden, was sie sagten, aber mein Vater hätte mir die Nase eingeschlagen, wenn ich in diesem Ton mit ihm gesprochen hätte. Schätze, es tut ihm gut, ein bisschen Dreck zu fressen.«
»Offenbar haben wir doch mehr gemeinsam, als es den Anschein hatte, Meisterin«, bemerkte Abban.
Der alagai’sharak war hier eine nächtliche Patrouille um die Außenmauer der Stadt. Die Sharum verließen Fort Rizon durch das Nordtor und schwärmten aus, Schulter an Schulter und Schild an Schild; sechs Stämme marschierten nach Osten und sechs nach Westen und töteten jeden alagai , der ihnen über den Weg lief, bis sie sich am Südtor wieder trafen. Um weitere Konflikte zu vermeiden, schickte Jardir Jayan und Asome nach Osten, während er Leesha und ihre Gefährten nach Westen mitnahm. Abban ließ man hinter dem Tor zurück.
Keiner aus dem Stamm der Talbewohner trug einen Schild, deshalb postierte Jardir sie hinter der Linie; er selbst begleitete Leesha, zusammen mit Hasik und einer Handvoll seiner Elitekämpfer,
den Speeren des Erlösers. Nachdem die dal’Sharum vorbeigezogen waren, im Nu Dämonen heran, um gierig die Kadaver der Horclinge zu verschlingen, die man liegen ließ, damit die Sonne sie fand. Und sie zögerten nicht, die kleine Gruppe anzugreifen.
Anfangs hatten die Krasianer versucht, die Nordländer zu beschützen, doch wie Jardir gehofft hatte, machten Leesha und die anderen schnell klar, dass sie keinerlei Hilfe brauchten. Rojers Fiedel lockte die Dämonen in Fallen oder hetzte sie gegeneinander auf. Leesha schleuderte ihre Feuermagie in ganze Rudel von alagai und zerstreute sie wie Sand im Wind. Gared und Wonda stürmten todesmutig mitten in alagai -Horden hinein; der riesige Holzfäller schlug sie mit Axt und Machete in Stücke, während Wondas Bogensehne brummte wie die Saiten von Rojers Fiedel und sie jeden Dämon
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