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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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dem juwelenbesetzten Messer, das sie an der Taille trug, und Rojer fragte sich unwillkürlich, welche Art von Bestrafung diese Leute für »hart« hielten.
    Eine Zeit lang herrschte Stille, als alle auf seine Antwort warteten. Rojers Blick schoss durch den Raum, und es schien als hielten die Frauen den Atem an. Warum? Noch vor kurzem hatten sie keinen Gedanken an ihn verschwendet.
    Doch dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht. Ich bin derjenige, der beleidigt wurde!
    Er lächelte, setzte seine Jongleurmiene auf, drückte die Schultern durch und sah Inevera zum ersten Mal offen in die Augen. »Nachdem ich die beiden Mädchen singen gehört habe, möchte ich sie keinesfalls trennen. Sikvahs Stimme ist mir wichtiger als ihre Unberührtheit.«
    Inevera entspannte sich ein bisschen. »Du bist überaus gütig. So viel Nachsicht hat diese Hure nicht verdient.«

    »Noch ist nichts entschieden«, stellte Rojer klar. »Aber bevor ich einen Entschluss fasse, ziehe ich es vor, sie keiner großen … Aufregung auszusetzen, die ihre Stimme beeinträchtigen könnte.« Inevera lächelte hinter ihrem duftigen Schleier, als hätte er gerade eine Prüfung bestanden.
    Elona packte Rojer beim Arm und zerrte ihn zurück. »Natürlich hat dies Einfluss auf die Mitgift.«
    Inevera nickte. »Das versteht sich von selbst. Wenn du bereit bist, als Aufsichtsperson zu fungieren, dürfen die Mädchen in dem Wohnflügel bleiben, in dem der Sohn des Jessum sein Quartier hat. Auf diese Weise kann er sich besser mit ihnen bekanntmachen und sich selbst davon überzeugen, dass sie nicht unter … Aufregung leiden, bis er seine Entscheidung trifft.«
    »Oh, meine Mutter versteht es vortrefflich, für die Wahrung von Schicklichkeit zu sorgen«, murmelte Leesha. Inevera sah sie neugierig an, als sei sie sich des sarkastischen Untertons nicht sicher. Aber sie verzichtete auf eine Bemerkung.
    Rojer schüttelte den Kopf, als würde er aus einem besonders bizarren Traum erwachen. Bin ich gerade versprochen worden?

    Kurz vor Sonnenuntergang kam Abban, um sie zu der Auspeitschung zu begleiten. Leesha überprüfte ein letztes Mal die Kräuter und Utensilien in ihrem Korb und holte tief Luft, um ihre aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. Für das, was sie Wonda angetan hatten, verdienten die Sharum diese Strafe, doch das bedeutete nicht, dass Leesha zusehen wollte, wie man ihre Rücken zerfetzte. Nachdem sie mitbekommen hatte, wie lasch die Krasianer Verletzungen versorgten, befürchtete sie, die Wunden könnten sich entzünden und die Männer töten, wenn sie sie nicht selbst behandelte.

    In Fort Angiers hatten sie und Jizell sich jede Woche um Männer gekümmert, die der Magistrat dazu verurteilt hatte, an einen Pfahl gebunden und ausgepeitscht zu werden. Aber sie konnte keinem Vollzug beiwohnen, ohne in Tränen auszubrechen, und meistens wandte sie sich angewidert ab. Sie fand diese Art von Strafen entsetzlich, obwohl es nur höchst selten vorgekommen war, dass sie denselben Mann zweimal behandeln musste. Die Kerle lernten ihre Lektion und vergaßen sie nie wieder.
    »Ich hoffe, du verstehst, welche Ehre mein Gebieter dir und der Tochter des Flinn dadurch erweist, dass er die Auspeitschung selbst vornimmt«, erklärte Abban, »anstatt sie irgendeinem dama zu überlassen, der vielleicht Milde walten lässt, weil er die Tat der Männer sogar gutheißt.«
    »Die dama haben Verständnis für Vergewaltiger?«, staunte Leesha.
    Abban schüttelte den Kopf. »Du musst verstehen, Meisterin, dass bei uns andere Sitten herrschen. Allein der Umstand, dass du und deine weibliche Begleitung sich mit unverschleierten Gesichtern in der Öffentlichkeit zeigen, und ihr eure … äh …« Er deutete auf Leeshas tiefen Ausschnitt. »… Reize so frei zur Schau stellt, schürt bei vielen Männern Groll. Sie fürchten, ihr könntet ihre eigenen Frauen auf abwegige Gedanken bringen.«
    »Und deshalb haben sie versucht, Wonda auf ihren Platz zu verweisen«, schlussfolgerte Leesha.
    Abban nickte.
    Leesha runzelte die Stirn, doch plötzlich beruhigte sich ihr Magen. Einem Menschen absichtlich Schaden zuzufügen, war mit ihrem Eid als Kräutersammlerin nicht vereinbar, doch selbst Bruna hatte nicht gezögert, Leuten, die sich anderen gegenüber schändlich benahmen, ein paar schmerzhafte Lektionen zu erteilen.
    »Mein Gebieter hat angeordnet, dass die Damaji ebenfalls zugegen sein sollen, zusammen mit ihren kai’Sharum «, berichtete
Abban. »Sie sollen sehen,

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