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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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ich nicht kampflos verzichten.«
    »Bist du sicher, dass es nur sein Ohr ist, nach dem es dich gelüstet?«, fragte Rojer spitz. Leesha strafte ihn mit einem vernichtenden Blick, doch das kümmerte ihn nicht. »Ich bin doch nicht blind, Leesha«, fuhr er unbeirrt fort. »Mir entgeht nicht, wie du ihn ansiehst. Vielleicht nicht wie ein krasianisches Eheweib, aber auch nicht wie eine Freundin.«
    »Was ich für ihn empfinde ist unwichtig«, gab sie zurück. »Ich habe keineswegs die Absicht, in seinen Harem einzuziehen. Wusstest du, dass Kaji tausend Gemahlinnen hatte?«
    »Der arme Kerl«, seufzte Rojer. »Schätze, die meisten Männer haben schon Mühe, nur mit einer einzigen Ehefrau fertigzuwerden.«
    Leesha schnaubte durch die Nase. »Du tätest gut daran, diese Erkenntnis selbst zu beherzigen. Im Übrigen kannten sowohl Abban als auch Ahmann Arlen, und beide behaupten, mit ihm befreundet gewesen zu sein.«
    »Da hat er uns aber etwas anderes erzählt«, erwiderte Rojer gedehnt. »Jedenfalls was Jardir betrifft.«
    »Ich weiß. Und ich will die Wahrheit erfahren.«
    »Was wird jetzt aus Amanvah und Sikvah?«, fragte Rojer. »Schicken wir sie weg?«
    »Damit man Sikvah töten kann, weil sie wegen ihrer Jungfräulichkeit gelogen hat und es ihnen nicht gelungen ist, mich zu vergiften? Auf gar keinen Fall«, entschied Leesha. »Wir haben die Verantwortung für die beiden übernommen.«
    »Schon, aber das war, bevor sie versucht haben, dich umzubringen«, wandte Rojer ein.
    »Du musst das so sehen, Rojer: Wenn ich Wonda befehlen würde, Inevera einen Pfeil ins Auge zu schießen, würde sie es mit Sicherheit
tun. Aber die Schuld an diesem Verbrechen läge bei mir. Es ist besser, die Mädchen hierzubehalten, wo wir sie beobachten können. Und wer weiß, vielleicht können wir durch sie noch ein paar nützliche Informationen sammeln.«

    Mitten in der Nacht wurde Leesha durch lautes Rufen und heftiges Klopfen an ihrer Tür geweckt. Sie zündete eine Lampe an und schlüpfte in ein Gewand aus krasianischer Seide, das Jardir ihr geschickt hatte. Es fühlte sich herrlich kühl und glatt auf ihrer Haut an.
    Als sie die Tür aufmachte, stand dort Rojer; er wirkte verstört. »Es geht um Amanvah«, erklärte er. »Ich kann sie in ihrem Quartier jammern hören, aber Sikvah öffnet nicht mal die Tür.«
    »Ich wusste es«, murmelte Leesha, schlang den Gürtel um ihre Robe enger und band sich ihre Kräutersammlerinnen-Schürze mit den vielen Taschen um. »Also gut«, seufzte sie. »Lass uns nachsehen, was mit ihr los ist.«
    Sie gingen hinunter in Rojers Flügel, und Leesha trommelte mit der Faust gegen die Tür zu den Räumlichkeiten, die die beiden krasianischen Mädchen bewohnten. Durch die Tür konnte sie Amanvahs gedämpfte Schreie hören, und Sikvah brüllte auf Krasianisch, sie sollten verschwinden.
    Leesha runzelte die Stirn. »Rojer«, rief sie laut, »lauf und hole Gared. Wenn ihr zurückkommt und die Tür ist immer noch versperrt, soll er sie aufbrechen!« Rojer nickte und flitzte los.
    Wie erwartet, wurde die Tür gleich darauf einen Spalt breit geöffnet, und eine zu Tode erschrockene Sikvah lugte hinaus. »Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung, es ist alles in Ordnung«, versicherte sie. Leesha drängte sich an ihr vorbei in das Zimmer
und folgte Amanvahs Stimme, die aus dem Abort im hinteren Teil des Gemachs kam. Sikvah kreischte und wollte sich ihr in den Weg stellen, aber Leesha ignorierte sie und versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war abgeschlossen.
    »Wo ist der Schlüssel?«, fragte sie. Sikvah antwortete nicht, sondern brabbelte etwas auf Krasianisch, aber nun war Leesha mit ihrer Geduld am Ende. Sie verpasste dem Mädchen eine heftige Ohrfeige, und das Klatschen hallte im Raum wider.
    »Tu nicht so, als würdest du mich nicht verstehen!«, schnappte sie. »Ich bin nicht blöd! Noch ein einziges krasianisches Wort, und die Wut der Damajah wird die geringste deiner Sorgen sein!«
    Sikvah erwiderte nichts, aber ihr betroffener Gesichtsausdruck machte klar, dass sie verstanden hatte.
    »Wo ist der Schlüssel?«, wiederholte Leesha drohend. Hastig fasste Sikvah in ihre Gewänder und zog den Schlüssel heraus.
    Im Nu war Leesha durch die Tür. In dem prunkvoll ausgestatteten Abort stank es nach Kot und Erbrochenem; der üble Geruch wurde noch verstärkt durch den Jasmin, der in einer Weihrauchpfanne brannte, eine widerwärtige Mischung, die bei den meisten Menschen Brechreiz erzeugen musste. Ohne auf den Gestank zu

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