Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
Vom Netzwerk:
achten, ging Leesha sofort zu Amanvah, die heulend und stöhnend neben dem Abort auf dem Boden lag. Ihre Kopfbedeckung und ihre Schleier hatte sie abgenommen, und ihre olivfarbene Haut wirkte beinahe weiß.
    »Sie ist ausgetrocknet«, erklärte Leesha. »Bring eine Kanne kaltes Wasser und setz einen Kessel aufs Feuer.« Sikvah rannte los, und Leesha fuhr fort, das Mädchen und den Inhalt der Abortschüssel zu untersuchen. Zum Schluss schnupperte sie an der Tasse, die auf dem Spiegeltisch stand, und nippte vorsichtig an dem darin enthaltenen Rest.
    »Das hast du schlecht gebraut«, beschied sie Amanvah. »Ein Drittel der Menge an Fleischkraut hätte genügt, um die Wirkung
des Nachtschattenpulvers, das du über den Tee zu dir genommen hast, aufzuheben.« Die junge dama’ting schwieg und starrte nur mit leeren Augen vor sich hin, während sie mühsam nach Luft rang. Trotzdem merkte Leesha, dass sie jedes ihrer Worte gehört und auch verstanden hatte.
    Sie holte einen Mörser aus ihrer Schürze, dann huschten ihre Hände von einer Tasche zur anderen, ohne dass sie ein einziges Mal hinzusehen brauchte, um die richtige Mischung aus Kräutern zusammenzustellen. Sikvah brachte das heiße Wasser, und Leesha braute einen zweiten Trunk. Dann bat sie Sikvah, ihre Herrin hinzusetzen und festzuhalten, während sie dem Mädchen gewaltsam das Heilmittel einflößte.
    »Mach die Fenster auf, damit frische Luft hereinkommt«, befahl Leesha als Nächstes. »Und hol ein paar Kissen. Ein paar Stunden lang muss sie in der Nähe des Aborts bleiben, und wir werden versuchen, die Flüssigkeit, die ihr Körper verloren hat, wieder zu ersetzen.«
    Rojer und Gared steckten die Köpfe in das Gemach, doch Leesha schickte sie prompt zu Bett. Sie und Sikvah kümmerten sich um Amanvah, bis deren Eingeweide sich wieder beruhigt hatten und sie sie zu ihrem Bett tragen konnten.
    »Für dich ist Schlaf jetzt das Beste«, erklärte Leesha und setzte einen Becher mit einem anderen Trunk an Amanvahs Lippen. »In zwölf Stunden wachst du auf, und vielleicht kannst du dann ein bisschen Reis und Brot essen.«
    »Warum tust du das?«, flüsterte Amanvah. Sie sprach mit demselben ausgeprägten Akzent wie ihre Mutter, aber jedes Wort war deutlich zu verstehen. »Meine Mutter würde nicht so freundlich mit jemandem umgehen, der versucht hat, sie zu vergiften.«
    »Meine auch nicht, aber wir sind nicht unsere Mütter, Amanvah«, entgegnete Leesha.
    Amanvah lächelte. »Wenn ich ihr das nächste Mal begegne, wünsche ich mir vielleicht, das Gift hätte mich umgebracht.«

    Leesha schüttelte den Kopf. »Jetzt wohnst du unter meinem Dach. Niemand wird dir etwas antun. Und keiner kann euch zwingen, Rojer zu heiraten.«
    »Oh, aber wir wollen uns mit ihm vermählen, Herrin«, warf Sikvah ein. »Der hübsche Sohn des Jessum ist von Everam gesegnet. Erste und zweite Gemahlin eines solchen Mannes zu sein … was kann eine Frau sich mehr wünschen?«
    Leesha setzte zu einer Erwiderung an, doch dann machte sie den Mund wieder zu, ohne etwas gesagt zu haben. Denn ihr war klargeworden, dass jede Antwort, die sie geben konnte, auf völliges Unverständnis stoßen würde.

    Elona saß in der Halle, als Leesha endlich Amanvahs Gemächer verließ. Leesha seufzte, denn sie wollte nur noch in ihr Bett kriechen, aber Elona stand auf und wollte gemeinsam mit ihr hinaufgehen.
    »Stimmt es, was Rojer da von sich gibt?«, fragte Elona. »Dass die Mädchen versucht haben, dich zu vergiften?«
    Leesha nickte.
    Elona schmunzelte. »Das heißt, Inevera räumt dir gute Chancen ein, du könntest ihr den Ehemann wegnehmen.«
    »Es geht mir gut, falls es dich interessiert«, versetzte Leesha spitz.
    »Natürlich, was denn sonst?«, erwiderte Elona. »Du bist meine Tochter, ob es dir nun passt oder nicht. Keine Wüstenhexe kann dich aufhalten, wenn du erst mal ein Auge auf einen bestimmten Mann geworfen hast.«
    »Ich nehme nicht einer anderen Frau den Ehemann weg, Mutter!«, erklärte Leesha mit Nachdruck.
    Elona lachte. »Warum bist du dann noch hier?«

    »Ich bemühe mich, einen Krieg zu verhindern«, gab Leesha knapp zurück.
    »Angenommen, du erreichst dein hehres Ziel nur, indem du einer Frau, die versucht hat, dich zu töten, den Mann wegnimmst«, legte Elona dar. »Ist dir dieser Preis dann immer noch zu hoch?« Sie schnaubte verächtlich. »Außerdem wäre dies nicht mit Ehebruch gleichzusetzen. Diese Frauen teilen sich ihre Männer wie Hühner den Hahn.«
    Leesha verdrehte die

Weitere Kostenlose Bücher