Das Flüstern der Nacht
ließ sich nicht anmerken, dass er Schmerzen hatte.
»Du wärst nicht verletzt worden …«, legte Hasik los, aber Jesan schnitt ihm ungeduldig das Wort ab.
»Das werden nicht meine ersten Dämonennarben sein, Pfeifer«, erklärte er barsch, »und auf jede einzelne bin ich stolz. Und jetzt zurück mit dir auf deinen Posten. In dieser Nacht müssen wir noch ein paar Dämonen töten.«
Hasik blickte finster drein, aber er verbeugte sich. »Wie du sagst, die Nacht ist noch jung«, pflichtete er dem älteren dal’Sharum bei. Als er an Jardir vorbei zu seinem Versteck ging, streifte er ihn mit einem mörderischen Blick.
»Und du bezieh auch wieder deine Stellung, Junge«, bestimmte Jesan und klopfte Jardir auf die Schulter.
Endlich dämmerte der Morgen, und alle versammelten sich um die Dämonengruben, um die alagai brennen zu sehen. Baha kad’Everam lag nach Osten, und die aufgehende Sonne überflutete rasch das Tal. Die Dämonen jammerten in den Gruben, als das Licht den Himmel füllte und ihr Fleisch zu glühen begann.
Die Innenseiten der dal’Sharum -Schilde waren spiegelblank poliert, und während dama Khevat ein Gebet für die Seelen der Bahavaner sprach, drehte ein Krieger nach dem anderen seinen
Schild um, fing die Strahlen der Sonne ein und lenkte sie in die Grube hinunter, wo sie direkt auf die Dämonen trafen.
Jeder Dämon, den das Licht erreichte, ging in Flammen auf. Bald brannten sämtliche alagai lichterloh, und die nie’Sharum jubelten. Manche ahmten sogar einige der Krieger nach, zogen sich ebenfalls ihre Bidos herunter und pinkelten auf die Dämonen, die Everams Licht aus der Welt brannte. Noch nie zuvor hatte Jardir sich so lebendig gefühlt wie in diesem Augenblick, und er wollte sich an Abban wenden, um seine Begeisterung mit ihm zu teilen.
Doch Abban war nirgendwo zu sehen.
In der Annahme, der Sturz in der vergangenen Nacht mache seinem Freund immer noch zu schaffen, ging Jardir ihn suchen. Abban hatte sich verletzt, weiter nichts. Das war nicht dasselbe wie schwach zu sein. Sie würden einfach abwarten und die Sticheleien der anderen nie’Sharum ignorieren, bis Abban wieder zu Kräften kam; dann würden sie sich die Spötter gründlich vorknöpfen und den Hänseleien ein für alle Mal ein Ende bereiten.
Er durchkämmte das Lager und hätte Abban beinahe übersehen; doch zum Schluss entdeckte er seinen Freund, der unter einem der Versorgungskarren hervorkroch.
»Was tust du da?«, wunderte sich Jardir.
»Oh!«, entschlüpfte es Abban, der sich erschrocken umdrehte. »Ich wollte nur …«
Jardir nahm keine Notiz von ihm, schob sich an Abban vorbei und spähte unter den Karren. Dort hatte Abban ein Netz aufgehängt und es mit den Dravazi-Keramiken gefüllt, die sie als Werkzeuge benutzt hatten; sie waren geschickt mit Lappen abgepolstert, damit die einzelnen Stücke auf dem Rückweg nicht klapperten oder zerbrachen.
Abban spreizte die Hände, als Jardir zu ihm zurückkam, und lächelte. »Mein Freund …«, begann er.
Jardir ließ ihn nicht ausreden. »Schaff das Zeug wieder dorthin, wo du es hergeholt hast.«
»Ahmann«, versuchte Abban es noch einmal.
»Bring die Sachen zurück, oder ich breche dir dein gutes Bein!«, grollte Jardir.
Abban seufzte, aber mehr aus Ärger als aus Unterwürfigkeit. »Ich bitte dich noch einmal, praktisch zu denken, mein Freund. Wir beide wissen, dass ich mit diesem schlimmen Bein mehr Chancen habe, meiner Familie durch Geschäftserträge zu helfen als durch Ruhm und Ehre. Selbst wenn ich es schaffen würde, ein dal’Sharum zu werden, wie lange könnte ich wohl überleben? Selbst von den starken Veteranen, die hierher nach Baha gereist sind, kehren nicht alle lebend zurück. Wahrscheinlich würde ich gleich in der ersten Nacht sterben, in der ich zum Kampf ins Labyrinth ginge. Und was soll dann aus meiner Familie werden, wenn ich ruhmlos aus dieser Welt scheide? Ich will nicht, dass meine Mutter am Ende meine Schwestern als Jiwah’Sharum verkaufen muss, weil sie außer meinem vergossenen Blut keine Mitgift haben.«
» Jiwah’Sharum sind Frauen, die verkauft wurden?«, hakte Jardir nach, der an seine eigenen Schwestern denken musste, die bei weitem ärmer waren als die von Abban. Jiwah’Sharum waren Gemeinschaftsfrauen und lebten in dem großen Harem, der allen dal’Sharum zur Verfügung stand.
»Dachtest du, die Mädchen würden so etwas freiwillig tun?«, fragte Abban. »Eine Jiwah’Sharum zu sein ist vielleicht noch ein glorreiches Leben
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