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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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verlassen.«
    »Ich kann gehen«, meldete Abban sich aus freien Stücken. Jardir warf ihm einen skeptischen Blick zu. Er wusste, dass er seinem Freund Schande brachte, wenn er ihn zurückhielt, aber in den Wochen seit ihrer Rückkehr war Abbans Bein nicht besser geworden, und der alagai’sharak war kein Spiel.
    »Du bleibst vorläufig bei mir«, bestimmte er. Die anderen Jungen feixten und rannten los.
    Exerziermeister Qeran hatte den Vorfall mitbekommen, und seine Lippen kräuselten sich angewidert, als er Abban musterte. »Mach dich nützlich, Junge«, befahl er, »und entwirre die Netze.«
    Jardir gab vor, Abbans Hinken nicht zu bemerken, als sein Freund die Anweisung befolgte. Er kehrte an Qerans Seite zurück.
    »Du kannst ihn nicht immer beschützen«, sagte der Exerziermeister mit ruhiger Stimme und hob sein Sehrohr, um den Himmel abzusuchen. »Es ist besser, er stirbt als Mann im Labyrinth, als dass er die Mauern in Schande verlässt.«
    Jardir dachte über die Bemerkung nach. War das der wahre Weg? Wenn er Abban losschickte, bestand das Risiko, dass er versagte und die kämpfenden Männer in Gefahr brachte. Schonte er ihn, würde Qeran den Jungen irgendwann zum khaffit erklären - ein Schicksal schlimmer als der Tod. Abbans Geist würde draußen
vor den Pforten des Himmels sitzen und niemals Everams Umarmung kennenlernen, während er vielleicht jahrtausendelang auf eine Wiedergeburt wartete.
    Seit Qeran ihn zum Nie Ka gemacht hatte, trug Jardir schwer an der Bürde seiner Verantwortung. Er fragte sich, ob Hasik, dem einst dieselbe Ehre zuteilgeworden war, den Druck als genauso belastend empfunden hatte. Er bezweifelte es. Hasik hätte Abban längst getötet oder aus der Truppe vertrieben.
    Er seufzte und beschloss, Abban beim nächsten Mal als Läufer einzusetzen. »Besser tot als ein khaffit «, murmelte er, doch die Worte schmeckten bitter auf seiner Zunge.
    »Achtung!«, brüllte Qeran, als ein Winddämon im Sturzflug auf sie herabstieß. Er und Jardir duckten sich rechtzeitig, aber Aday war nicht so flink. Ganz in Jardirs Nähe prallte sein Kopf gegen die Mauer, dann stürzte er hinunter ins Labyrinth. Abban kreischte.
    »Er kehrt um und greift wieder an!«, warnte Qeran.
    »Abban! Netz!«, schrie Jardir.
    Abban beeilte sich, und hauptsächlich sein gutes Bein belastend, schleppte er das mit großen Gewichten beschwerte Netz zu Qeran. Jardir bemerkte, dass er es wurfbereit gefaltet hatte. Das war wenigstens etwas.
    Qeran schnappte sich das Netz, ohne den zurückkehrenden Winddämon auch nur einen Moment lang aus den Augen zu lassen. Mit dem geschulten Blick des Kriegers beobachtete Jardir den Exerziermeister und wusste, dass der die Geschwindigkeit und die Flugbahn des Dämons einschätzte. Qerans Körper war straff gespannt wie eine Bogensehne, und Jardir zweifelte keine Sekunde daran, dass er den Winddämon nicht verfehlen würde.
    Sobald der alagai in Wurfweite kam, schnellte Qeran vor wie eine angreifende Kobra und schleuderte mit einer geschmeidigen Bewegung das Netz. Aber es öffnete sich zu früh, und Jardir erkannte sofort die Ursache dafür; Abban hatte seinen Fuß versehentlich
in einem der Stricke, an denen die Gewichte hingen, verheddert, und Qerans kraftvoller Wurf riss ihn um.
    Der Winddämon bremste kurz vor dem sich entfaltenden Netz ab und schlug mit den Flügeln sowohl nach dem Netz als auch nach Qeran. Der alagai verschwand aus ihrem Blickfeld, und der Exerziermeister, der sich hoffnungslos in die Maschen verwickelt hatte, fiel der Länge nach hin.
    »Nie soll dich holen, Bengel!«, donnerte Qeran, trat durch das Gewirr aus Stricken mit dem Fuß nach Abban und fegte die Beine unter ihm weg. Schreiend stürzte Abban ein zweites Mal von der Mauer, dieses Mal in ein Labyrinth, in dem es vor alagai wimmelte.
    Ehe Jardir reagieren konnte, ertönte ein schriller Schrei, und er sah, dass der alagai sich zu einem neuerlichen Angriff rüstete. Ohne Qeran, der verbissen darum kämpfte, sich aus dem Netz zu befreien, war kein dal’Sharum da, um die Bestie abzuwehren.
    »Lauf weg, solange es noch geht!«, brüllte Qeran.
    Jardir hörte nicht auf ihn, sondern hetzte zu den Netzen, die Abban gefaltet hatte. Er hob eines hoch und ächzte unter der schweren Last. Beim Training benutzten die Jungen leichtere Ausführungen.
    Mit einem Klatschen der ledrigen Schwingen schoss der Winddämon vorbei, legte sich schräg und flog eine enge Kurve, um erneut nach seiner Beute zu tauchen. Einen Moment lang

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