Das Flüstern der Nacht
für die jungen und hübschen, aber meistens wissen sie nicht, wessen Kinder in ihrem Bauch heranwachsen, und ihr Glanz verblasst, wenn sie unfruchtbar werden und ihre Schönheit verwelkt. Es ist viel besser, einen richtigen Ehemann zu haben, selbst einen khaffit , als sich in diesen Harem einsperren zu lassen.«
Jardir erwiderte nichts, denn diese Auskunft musste er erst einmal verdauen. Abban rückte näher an ihn heran und beugte sich vor als wolle er ihm etwas im Vertrauen mitteilen, obwohl sie ganz allein waren.
»Wir könnten uns den Gewinn teilen, mein Freund«, raunte er. »Eine Hälfte geht an meine Mutter, die andere bekommt deine. Wann haben sie und deine Schwestern das letzte Mal Fleisch gegessen? Oder etwas Besseres als Lumpen zum Anziehen gehabt? Die Ehre kann ihnen irgendwann einmal in der Zukunft nützen, aber mit einem schnellen Profit ist ihnen sofort gedient.«
Jardir sah ihn zweifelnd an. »Wie viel kann man an ein paar Töpfen schon verdienen?«
»Das hier sind nicht irgendwelche Töpfe, Ahmann«, erklärte Abban schnell. »Denk doch mal nach! Es handelt sich um die letzten Werke des Meisters Dravazi, die zudem noch von den dal’Sharum benutzt wurden, als sie dessen Tod rächten und die Seelen der khaffit von Baha befreiten. Diese Sachen besitzen einen unschätzbaren Wert! Die Damaji selbst würden sie kaufen und zur Schau stellen. Wir brauchen sie nicht einmal zu säubern! Der Dreck von Baha ist besser als die schönste Goldglasur.«
»Kaval sagte, alles müsse geopfert werden, um den Boden von Baha zu weihen«, widersprach Jardir.
»Das ist ja auch geschehen«, argumentierte Abban. »Diese Töpfe sind doch lediglich Werkzeuge, Ahmann, so wie die Spaten, mit denen die dal’Sharum die Gruben ausgehoben haben. Es ist kein Plündern, wenn man seine Werkzeuge behält.«
»Warum hast du sie dann unter dem Karren versteckt wie Diebesgut?«
Abban lächelte. »Du glaubst doch nicht etwa, dass Hasik und seine Spießgesellen uns den Gewinn überließen, wenn sie Bescheid wüssten, oder?«
»Ganz sicher nicht«, gab Jardir zu.
»Dann sind wir uns also einig«, meinte Abban und schlug Jardir auf die Schulter. Hastig packten sie die restlichen Keramiken in das Netz.
Sie waren beinahe fertig, als Abban einen zierlichen Becher nahm und anfing, ihn durch den Dreck zu rollen.
»Was tust du da?«, wunderte sich Jardir.
Abban zuckte die Achseln. »Dieser Becher war zu klein, um den Aushub darin zu befördern.« Er hob das Stück in die Höhe und bewunderte den daran haftenden Schmutz. »Der Staub von Baha wird seinen Wert verzehnfachen.«
»Aber das ist eine Lüge«, wandte Jardir ein.
Abban zwinkerte ihm zu. »Der Käufer wird das doch nie erfahren.«
» Ich weiß es aber!«, schrie Jardir, schnappte sich den Becher und schmetterte ihn auf den Boden, wo er zerschellte.
Abban quiekte vor Entsetzen. »Du Idiot, hast du überhaupt eine Ahnung, was das Teil wert war?« Doch als er merkte, dass Jardir vor Wut kochte, war er so klug, die Hände zu heben und einen Schritt zurückzuweichen.
»Natürlich, mein Freund, du hast ja Recht«, stimmte er scheinheilig zu. Als wolle er seiner Bemerkung Nachdruck verleihen, hob er ein anderes, ähnlich sauberes Stück auf und schlug es ebenfalls entzwei.
Jardir betrachtete die Scherben und seufzte. »Schick nichts an meine Familie«, erklärte er. »Ich will nicht, dass das Haus von Jardir aus dieser … niederen Gesinnung einen Nutzen zieht. Lieber sollen meine Schwestern hartes Getreide kauen als unehrenhaft erworbenes Fleisch essen.«
Abban starrte ihn ungläubig an, doch schließlich zuckte er bloß mit den Schultern. »Wie du willst, mein Freund. Aber solltest du deine Meinung jemals ändern …«
»Wenn dieser Tag kommt und du ein wahrer Freund bist, dann musst du mir meine Bitte abschlagen«, versetzte Jardir. »Und sollte ich dich noch einmal bei so etwas erwischen, schleife ich dich selbst vor den dama .«
Abban betrachtete ihn nachdenklich, dann nickte er.
Die Nacht lastete über der Mauer von Krasia, und um sich herum spürte Jardir den aufpeitschenden Tumult der Schlacht. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass er eines Tages als Kaji-Krieger im Labyrinth sterben würde.
» Alagai am Boden!«, rief der Aufpasser Aday. »Nordost-Quadrant! Zweite Ebene!«
Jardir nickte und wandte sich an die anderen Jungen. »Jurim, gib den Majah in Ebene drei Bescheid, dass der Ruhm nahe ist. Shanjat, lass die Anjha wissen, dass die Majah ihre Stellungen
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