Das Flüstern der Nacht
selbst jetzt noch klangen die herrlich harmonischen Stimmen der beiden Mädchen in seinem Kopf nach. Rojer sehnte sich danach, Teil dieser Harmonie zu werden, und wenn er daran dachte, wie ihre Gewänder auf den Boden geglitten waren, verspürte er eine ganz andere Art von Sehnsucht, ein Gefühl, das er für keine andere Frau mehr empfunden hatte, seit er Leesha kennengelernt hatte.
Aber Leesha verschmähte ihn, und Arrick war als einsamer Säufer gestorben.
Abbans Frauen tauchten hin und wieder auf, brachten Essen und trugen das Nachtgeschirr weg, doch die Tür zum Quartier der Mädchen öffnete sich nie mehr als einen Spalt weit und wurde immer zugeschlagen, ehe er auch nur einen flüchtigen Blick hineinwerfen konnte.
Beim alagai’sharak in dieser Nacht behielt Rojer Jardir nervös im Auge. Kaval ließ Gared und Wonda mit Speer und Schild neben den anderen dal’Sharum kämpfen, und sie hielten sich tapfer. Für den sharusahk war Gared vielleicht zu unbeholfen, aber beim
Sturmangriff Schild an Schild konnte es niemand mit ihm an Kraft aufnehmen, und keiner reichte mit seinem Speer weiter aus dem Schildwall heraus.
Rojer vermisste ihn schmerzlich, während er, Leesha und Jardir dem Sturmtrupp mit mehreren Speeren des Erlösers folgten, obwohl er ihren Verbund in Musik tauchte und die Dämonen fernblieben. Früher oder später würde Jardir ihn nach seinen Absichten bezüglich seiner Tochter und Nichte fragen, und wenn seine Antwort nicht zufriedenstellend ausfiel, konnte es schnell zu Gewalt kommen. Die sich in erster Linie gegen ihn, Rojer, richten würde. Er schloss keineswegs aus, dass man ihn töten würde, sollte er ein Ehebündnis mit den beiden Krasianerinnen ablehnen.
Vorläufig jedoch hatte Jardir nur Augen für Leesha; er umwarb sie wie ein Mann um eine Frau freit, die er von Herzen liebt. Dieser Umstand machte es Rojer allerdings nicht leichter, sich in seiner Gegenwart aufzuhalten, vor allen Dingen, wenn er Leesha dabei ertappte, wie sie seine schmachtenden Blicke erwiderte. Er war weder weltfremd noch dumm. Er wusste sehr wohl, was das bedeutete, womöglich sogar besser als Leesha selbst.
Rojer stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als die Patrouille vorüber war und sie in die Stadt zurückkehren durften. Er fühlte sich durch und durch elend, seine Finger waren taub vom Spielen, und jeder Muskel in seinem Körper tat weh. Zudem war er in Schweiß gebadet und mit einem fettigen Rußfilm von den brennenden Dämonen bedeckt.
Es half ihm auch nicht, dass Gared und Wonda, durchdrungen von Dämonenmagie, aussahen, als seien sie gerade erst aufgestanden anstatt sich zur Nachtruhe in ihre Quartiere zu begeben. Die Wirkung der Magie hatte Rojer an sich selbst nie gespürt. Und nachdem er zugesehen hatte, wie der Tätowierte Mann sich auflöste und davon sprach, in den Horc abzugleiten, ängstigte sie ihn. Ihm lag es mehr, die Dämonen mit Musik und Wurfmessern auf Abstand zu halten.
Doch nachdem er fast ein Jahr lang im Tal des Erlösers gelebt hatte, ließ sich die Auswirkung der Magie auf diejenigen, die ihr regelmäßig ausgesetzt waren, nicht leugnen. Diese Menschen wurden stärker. Schneller. Nie waren sie krank, sie kannten keine Müdigkeit. Die Jugendlichen reiften schneller heran, die Älteren behielten ihre Spannkraft viel länger, mitunter schienen sie sogar jünger zu werden. Rojer hingegen fühlte sich nach einem Einsatz, als stünde er kurz vor einem Zusammenbruch. So auch jetzt.
Er taumelte in sein Schlafgemach und wollte nichts weiter als für die nächsten Stunden alles vergessen. Doch die süßlich duftenden krasianischen Öllampen in seinem Zimmer waren angezündet; das wunderte ihn, denn als er fortging, war es draußen noch hell gewesen. Auf seinem Nachttisch stand ein Krug mit kühlem Wasser, daneben lag ein Laib Brot, der immer noch warm war.
»Ich ließ dir von Sikvah auch ein Bad zubereiten, mein künftiger Gebieter«, hörte Rojer hinter sich eine Stimme. Vor Schreck stieß er einen Schrei aus und wirbelte herum; seine Messer glitten in seine Hände, doch es war nur Amanvah, und hinter ihr kniete Sikvah neben einem großen dampfenden Zuber.
»Was macht ihr in meinem Zimmer?«, fragte Rojer. Er befahl seinen Händen, die Klingen wieder wegzustecken, doch seine Finger verweigerten ihm hartnäckig den Dienst.
Geschmeidig sank Amanvah in den rituellen Kniefall und berührte mit ihrer Stirn den Boden. »Vergib mir, Zukünftiger. In letzter Zeit war ich … unpässlich,
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