Das Flüstern der Nacht
während er sich immer noch nicht beruhigen konnte, hielt sich die Seiten und strampelte mit den Füßen. Eine Zeit lang ging es so weiter, und die Spannung zwischen ihnen war verschwunden, als sie nach einer Weile nur noch in gelegentliches Kichern ausbrachen und dann ganz verstummten.
Renna sprang auf die Füße und legte ihre Hand auf Arlens Arm. »Wenn ich etwas nicht weiß, dann klär mich doch auf.«
Arlen sah sie nachdenklich an und nickte. Wieder entzog er sich ihrer Berührung und ging ein paar Schritte weiter, die Augen auf den Boden geheftet.
»Hier«, sagte er einen Moment später, und wirbelte mit einem Fußtritt den Dreck auf. »Genau hier befindet sich ein Pfad zum Horc.«
Sie ging zu ihm und musterte die Stelle mit ihren durch Siegel geschärften Augen prüfend. Und tatsächlich strömte der schimmernde Nebel, der um ihre Füße waberte, an diesem Fleck heraus wie Qualm aus einer Pfeife.
»Ich kann spüren wie er direkt in den Horc hineinführt. Und der Horc ruft mich, Ren. Wie meine Mam mich gerufen hat, wenn es Zeit zum Abendessen war. Wenn ich wollte, dann …« Er fing an zu verblassen als wäre er ein Geist … oder ein Horcling.
»Nein!«, schrie Renna und griff nach ihm, doch ihre Hände glitten einfach durch ihn hindurch. »Sag ihm, er kann seinen Ruf den Brunnen hinunterwerfen!«
Gleich darauf verfestigte sich Arlen wieder, und sie atmete erleichtert auf, obwohl in seinen Augen immer noch eine große Traurigkeit lag. »Die Tätowierungen sorgen dafür, dass ich kein normales Leben mehr führen kann, Ren. Dazu kommt es, wenn man zu viel Magie in sich aufnimmt. Jetzt bin ich mehr Dämon als Mensch, und ehrlich gesagt frage ich mich jedes Mal, wenn ein neuer Morgen dämmert, ob die Sonne mich an diesem Tag nicht zu Asche verbrennen wird.«
Renna schüttelte energisch den Kopf. »Du bist kein Dämon. Einen Dämon würde es nicht kümmern, was mit dem Tal des Erlösers oder Tibbets Bach geschieht. Einem Dämon wäre es egal, ob irgendein Mädchen von Horclingen zerfleischt wird, und er würde nicht sein Leben für Monate ändern, nur um ihr zu helfen.«
»Mag sein«, gab Arlen zu. »Aber nur ein Dämon würde von dem Mädchen verlangen, selbst einer zu werden.«
»Du hast nie etwas von mir verlangt«, stellte Renna fest. »Und jetzt treffe ich meine eigenen Entscheidungen.«
»Dann nimm dir Zeit und nutze deinen Verstand«, riet Arlen. »Denn wenn du diesen Weg einschlägst, gibt es kein Zurück mehr.«
31
Ein lustvoller Kampf
333 NR - Sommer
R ojer erzählte jedem, er würde lieber an der großen Treppe der Villa als in seinen Gemächern auf der Fiedel üben, weil hier die idealen Bedingungen zum Musizieren herrschten. Nur wenn er an exakt diesem Ort spielte, drang der Widerhall der Musik durch das ganze Haus. Das stimmte sogar, doch eigentlich hatte er sich diese Stelle ausgesucht, weil er von dort aus die Tür zu Amanvahs und Sikvahs Gemächern im Auge behalten konnte. Seit drei Tagen hatte er die Mädchen nicht mehr gesehen.
Er wusste selbst nicht, warum ihm das so viel ausmachte. Was hatte er sich nur dabei gedacht, als er sich für Sikvah einsetzte, wo er doch den perfekten Vorwand hatte, beide Mädchen abzuweisen? Wie kam er überhaupt dazu, sie noch bei sich zu behalten, nachdem sie versucht hatten, Leesha zu ermorden? Zog er allen Ernstes in Erwägung, der Schwiegersohn des Wüstendämons zu werden? Der Gedanke ans Heiraten hatte Rojer immer in Panik versetzt. Während der letzten Jahre hatte er ein halbes Dutzend Mal fluchtartig irgendwelche Dörfer verlassen, um dieser Schlinge zu entgehen.
Die Ehe bedeutet den beruflichen Tod, pflegte Arrick zu warnen. Frauen reißen sich darum, mit einem Jongleur ins Bett zu gehen, also tun wir ihnen den Gefallen. Aber bist du erst einmal
versprochen, sehen sie all die Dinge, die sie an dir so anziehend fanden, mit völlig anderen Augen. Sie verlangen von dir, dass du das Herumreisen aufgibst. Als Nächstes wollen sie dir verbieten, jeden Abend eine Vorstellung zu geben. Dann möchten sie wissen, warum du dir für die Nummer mit den Wurfmessern immer das hübscheste Mädchen aussuchst. Ehe du dich versiehst, schuftest du als Zimmermann, und wenn du Glück hast, darfst du am Siebenttag singen. Du kannst jede Frau beschlafen, aber stelle immer eine gepackte Tasche neben ihr Bett und such schleunigst das Weite, wenn sie zum ersten Mal das Wort »Verlobung« ausspricht.
Trotzdem hatte er ohne Nachzudenken Sikvah gerettet, und
Weitere Kostenlose Bücher